Seit letzten Sonntag tagt die Internet-Verwaltung ICANN im ausstralischen Sydney, um über die Zukunft des Domain Name Systems und die Einführung neuer Top Level Domains (TLDs) zu entscheiden. Aus diesem Anlass wollen wir den Stand des Verfahrens kurz zusammenfassen und Ihnen einen Überblick geben, welche neuen Endungen sich bei ICANN bewerben wollen.
Folgende 20 generische Top Level Domains (gTLDs) stehen aktuell bereits zur Verfügung und können mit mehr oder weniger grossen Einschränkungen registriert werden: .aero, .asia, .biz, .cat, .com, .coop, .edu, .gov, .info, .int, .jobs, .mil, .mobi, .museum, .name, .net, .org, .pro, .tel und .travel. Daneben gibt es 248 weitere Länderendungen (ccTLDs) wie .de, .at oder .ch; erweitert werden soll jedoch ausschließlich der Kreis der gTLDs. Diesen Erweiterungsprozess hat ICANN anlässlich des Paris-Meetings Anfang 2009 an- und die Tür damit aufgestoßen für eine grundsätzlich unbeschränkte Erweiterung des TLD-Namensraumes. Dies hat weltweit zahlreiche Diskussionen um Sinn und Unsinn neuer Top Level Domains ausgelöst; ICANN hat jedoch angekündigt, den eingeschlagenen Weg weiter konsequent zu verfolgen.
Um diesen Prozess zu ordnen, will ICANN im Gegensatz zu früheren Einführungsrunden neuer TLDs einheitliche Leitlinien aufstellen, an denen sich künftig jeder Bewerber orientieren kann und muss. Diese Leitlinien sind zusammengefasst im „Applicant Guidebook“, das inzwischen in mehreren Entwurfsfassungen veröffentlicht ist. Demnach müssen die Bewerber wirtschaftliche wie technische Kriterien erfüllen, um Aussicht auf einen Zuschlag zu erhalten; bereits an dieser Hürde dürften viele Interessenten scheitern. Neben einer Bewerbungsgebühr von derzeit US$ 185.000,00 müssen Bewerber je nach Ausrichtung ihrer Endung wohl mehrere Millionen an Investitionen in Anwaltsgebühren, Infrastruktur, Technik, Marketing, Personal und Betrieb einplanen. Da die Bewerbungskriterien (etwa in Bezug auf Schutzmechanismen für Kennzeichenrechteinhaber) im Detail noch nicht festgelegt sind, lassen sich verlässliche Aussagen derzeit nicht treffen.
Mehr oder weniger konkrete Absichtserklärungen, sich bei ICANN um den Zuschlag für eine TLD bewerben zu wollen, liegen für folgende Städte-Endungen vor: .bcn (Barcelona), .berlin, .hamburg, .london, .köln, .munich, .paris, .nyc und .pdx (Portland). An Regio-TLDs werden genannt: .africa, .bayern, .bzh (Bretagne), .cym (Wales), .eng (England), .gal (Galizien), .ker (Cornwall), .lli (Leon), .lat (Lateinamerika), .med (Mediterranean), .que (Quebec), .sco (Schottland), .vla (Flandern) und .yks (Yorkshire). Für ethnische TLDs kommen derzeit .arab, .eus (Baskenland) und .indigi (Eingeborene) in Frage. Als gemeinnützig könnten die potentiellen Bewerbungen von .eco, .green und .fam zusammengefasst werden. Für die Internet-Community die grösste Bedeutung haben dürften die Bewerbungen folgender industriespezifischer TLDs: .food, .health, .movie, .music, .sport, .xxx, .vin und .web. Schließlich gilt es als offenes Geheimnis, dass weltbekannte Marken wie Apple (.mac), HP (.hp) oder Microsoft (.msn) ebenfalls über ihre TLD nachdenken. Bei einzelnen TLDs wie etwa .london oder .sport gibt es zudem mehrere Initiativen, die sich bei ICANN bewerben wollen.
Ein konkretes Startdatum, wann ICANN erste Bewerbungen für neue TLDs entgegennimmt, gibt es bisher nicht; vorgesehen ist das 1. Quartal 2010. Da noch völlig offen ist, ob und welche neuen TLDs eingeführt werden, ist derzeit auch eine verbindliche Vorbestellung von Domain-Namen nirgendwo seriös möglich. Von gar kostenpflichtigen Angeboten zur Vorbestellung ist also dringend abzuraten.