ICANN73

Risiko Blockchain-Domains

Im Rahmen von ICANN73, dem ICANN-Meeting von Anfang März diesen Jahres, kam auch die Frage nach Blockchain, NFTs und dezentralisierten Domains zur Sprache, und welche Auswirkungen das auf die Nutzer, ICANN und die Stabilität und Sicherheit des Internet hat.

Tom Barrett (EnCirca) und Jeff Neuman (JJN Solutions) hielten unter der Moderation von Eduarda Diaz und Glenn McNight anlässlich ICANN73 am 08. März 2022 den von NARALO (North American Regional At-Large Organization) initiierten Vortrag »Blockchain, NFTs, and Decentralized Domains – What is the impact on end-users, internet security and stability, and ICANN?«. Dazu muss man wissen, dass der Registrar EnCirca, für den Tom Barrett tätig ist, vermehrt Domains unter auf Blockchain basierenden Krypto-Endungen in alternativen Roots anbietet, etwa .eth und .forever. JJN Solutions hingegen, für das Jeff Neuman auftrat, ist ein Beratungsunternehmen im Bereich von unter anderem Domain-Streitigkeiten und -Portfolioverwaltung. In ihrem Vortrag legten sie auch die aktuelle Situation von KryptoEndungen und -Domains und deren Anbieter dar, und welchen Einfluss diese auf das Internet und dessen regulierte Strukturen haben könnten. Die wichtigsten Player auf diesem Feld sind aktuell Ethereum Naming Service und .eth mit nach deren Angaben zur Zeit 750.000 registrierten Second Level Domains, Unstoppable Domains mit derzeit 2 Mio. Second Level Domains und Handshake Naming Service mit angeblich 3,5 Mio. Top Level Domains (.vornamenachname, .nachname., .marke usw.), darunter 1.400 Anbieter von Second Level Domains. Handshake startete im Februar 2020 mit der generellen Registrierungsmöglichkeit von Top Level Domains, hat aber zugleich eine Sunrise-Period gestartet, bei der vorweg alle ICANN-akkreditierten Endungen sowie die Namen der 100.000 Top-Websites reserviert wurden. Welche letzteres sind, soll nach Abschluss der Sunrise-Period nach 4 Jahren (also wohl im Februar 2024) bekannt gegeben werden.

Alle drei Krypto-Domain-Anbieter bewegen sich nicht in dem von ICANN regulierten Internet, sondern in einem »alternativen« Netzbereich (AltRoot). Doch aufgrund der rapiden Zuwächse im Blockchain-, NFT- und Krypto-Endungen-Bereich werden womöglich Weichen gestellt, die das regulierte Internet gefährden. Das zeige sich etwa, so Barrett und Neuman, in den in den vergangenen zwei Jahren 3,5 Mio. von Handshake registrierten Top Level Domains, denen gegenüber die seit 2012 von ICANN akkreditierten, gut 1.000 neuen Top Level Domains und die Verzögerungen bei der kommenden Einführungsrunde stehen. Barrett und Neuman ziehen bei dieser Entwicklung Kurven bis 2030, an deren Ende 100 Mio. Handshake Top Level Domains 3.000 ICANN Top Level Domains gegenüberstehen. Getrieben werden die Krypto-Domain-Anbieter unter anderem von der behaupteten besseren Privatsphäre aufgrund der Dezentralisierung durch das Blockchain-Konzept, das die Grundlage für die Domain-Endungen und Domains bildet. Hier beruht das Interesse an Domains genauso wie im ICANN-regulierten Internet darin, nur schlecht zu merkende Uniform Resource Locator (URL) mit einfachen Begriffen besser erinnern zu können – nur, dass im alternativen Netz die Uniformität nicht gewährleistet ist, da dieses sich der Reglementierungen von ICANN entzieht. Damit entstehen Risiken für Nutzer, die ins falsche Netz und an falsche Rechner geraten oder durch Kriminelle etwa durch Cach Poisoning dahin geführt werden können.

Barrett und Neuman stellten ihrem Publikum die Frage, ob ICANN seine Rolle erweitern sollte, um das dezentrale Netz ebenfalls zu verwalten. Das würde allerdings an den Playern im AltRoot scheitern, die – vermeintlich – gerade keine Reglementierung wünschen. Tatsächlich sind sie allerdings auf eine weitaus strengere Reglementierung durch die genutzte Technik angewiesen. Und diese wird gerade nicht durch eine Vielzahl von Stakeholdern ausdiskutiert und im Rahmen von Kompromissen festgelegt. Vielmehr ist der einzelne Player derjenige, der unumstößlich die Regeln vorgibt, und über Wohl und Wehe der Nutzer und ihrer Ressourcen in den von ihm jeweils initiierten AltRoot bestimmt. Ist das wirklich eine wünschenswerte Alternative? Eine weitere Frage ergibt sich aus dem möglichen Zusammenstoß von zukünftigen AltRoot- und ICANN Top Level Domains. Wie soll, wie wird sich ICANN dazu verhalten? Derzeit wird bei ICANN weiter über die kommende Einführungsrunde diskutiert. Stellungnahmen zu dieser Frage sind uns zur Zeit nicht bekannt. Aber wie bei vielen früheren AltRoot-Projekten scheint es nicht angebracht, darauf einzugehen. Wie lange der aktuelle Hype um Blockchains andauert, ist noch ungewiss, aber endlich. Bisher löst die Blockchain alleine das selbstgestellte Problem, einer fiktiven, digitalen Währung einen (nicht einmal sicheren) Modus zu verschaffen. Wie sich die Sache tatsächlich entwickelt, wird man sehen.

  1. David

    Die Tatsache das Namecheap, Handshake einsetzt, sollte jeder ernst nehmen. Ich persönlich könnte mir schon vorstellen, das es eine Spaltung geben wird. Die ICANN auf der einen Seite, auf der anderen Handshake. Ähnlich wie Bitcoin eine Alternative zu Fiat ist, wird Handshake zur ICANN eine Alternative.

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