ICANN

Bewerberhandbuch in der Kritik

Die Veröffentlichung des Bewerberhandbuchs zur Einführung neuer Top Level Domains schlägt hohe Wellen: neben den hohen Kosten einer Bewerbung sorgen vor allem juristische Risiken für reichlich Gesprächsstoff.

Wenige Tage vor dem richtungsweisenden Meeting in Kairo hatte die Internetverwaltung ICANN letzte Woche den 97seitigen Entwurf des Bewerberhandbuchs veröffentlicht. Doch der Leitfaden verschafft nicht nur Klarheit, sondern sorgt auch für neue Diskussionen. Im Mittelpunkt der Kritik steht vor allem die Bewerbungsgebühr von US$ 185.000,–. Sie wird auch bei Ablehnung des Antrags nicht rückerstattet und deckt betragsmäßig die mit einer Bewerbung verbundenen Gesamtkosten nicht ab. So addieren sich kleinere Gebühren für das Online-Bewerbungssystem TAS von US$ 100,– ebenso hinzu wie eine Prüfungsgebühr von US$ 50.000,–; sollte es zu Streitverfahren kommen, sind weitere Gebühren von mindestens US$ 1.000,– pro Einspruch sowie eine Gerichtsgebühr von nicht unter US$ 2.000,– bis über US$ 122.000,– zu bezahlen. Die eigenen Kosten des Kandidaten zur Erstellung seiner Bewerbung einschließlich technischer und juristischer Beratung sind ebenso wie – im Fall des Zuschlags – die Kosten des laufenden Registry-Betriebs darin nicht berücksichtigt. Sollten sich gar zwei Bewerber um die selbe Zeichenkette bewerben und letztlich durch eine Auktion der Gewinner ermittelt werden, können alle Investitionen weiter explodieren.

Stehen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung, kann der Bewerber zwischen zwei Kategorien von generischen TLDs wählen: „open gTLDs“ und „community-based gTLDs“. Offene TLDs stehen für jedermann zur Registrierung frei, während „community-based“ bedeutet, dass die Endung zum Wohl einer anhand festgelegter Kriterien ausgewählten, begrenzten Gemeinschaft dient; als Beispiel dienen eingeführte Kürzel wie .coop oder .museum. Diese Weichenstellung beeinflusst das Schicksal der TLD maßgeblich, da sie ihr etwa für die Zeit nach der Einführung Überwachungspflichten auferlegt. Gibt es zwei Bewerber um die selbe oder eine ähnliche TLD-Zeichenkette, sieht das Handbuch vor, dass sich die Bewerber zunächst untereinander um eine Einigung bemühen müssen; scheitert dies, kann ICANN entweder durch eine vergleichende Prüfung selbst ermitteln, welcher Bewerber geeigneter ist, oder die TLD meistbietend versteigern. Für jeden Bewerber gilt, dass ICANN die organisatorischen, technischen, betrieblichen und finanziellen Fähigkeiten auf Herz und Niere prüft, sofern die geplante TLD zudem alle technischen Hürden genommen hat und die Sicherheit und Stabilität des Internets nicht gefährdet ist.

Zum besonderen Zankapfel könnten sich die Streitschlichtungsmechanismen entwickeln, die ICANN eingebaut hat. Widerspruch kann in vier Fällen eingelegt werden: die TLD ist einer anderen eingeführten oder geplanten zum Verwechseln ähnlich, verletzt Rechte eines Dritten, stösst auf Widerstand der Gemeinschaft, die sie repräsentieren soll, oder läuft der Moral und öffentlichen Ordnung zuwider. Gerade letzterer Anfechtungsgrund eröffnet eine Vielzahl von juristischen Schlachtfeldern, da allein der Begriff „Moral“ weltweit unterschiedlich definiert wird; so dürfte .xxx in Europa kaum, in Saudi-Arabien indes viel Widerstand hervorrufen. Um diese Fragen zu klären, kann sich ein Beschwerdeführer an eine von drei Schlichtungsstellen mit unterschiedlichem Prüfungsgebiet wenden: die World Intellectual Property Organization (WIPO), die International Chamber of Commerce (ICC) sowie das International Centre for Dispute Resolution (ICDR). Wie vielen solcher Verfahren sich ein Bewerber möglicherweise ausgesetzt sieht, lässt sich kaum vorhersagen – vor uns liegen also einmal mehr spannende Tage.

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