geoTLDs

Interview mit Katrin Ohlmer (Dotzon GmbH) zum GNSO Work Track 5-Report

ICANNs Montreal Meeting, das 66. ICANN-Meeting liegt hinter uns. Im Rahmen der Veranstaltung hatte die ICANN-GNSO Work Track 5 Working Group (WG) ihren »Work Track 5 Final Report to the New gTLD Subsequent Procedures Policy Development Process Working Group« vorgelegt. Wir sprachen mit Katrin Ohlmer von der Dotzon GmbH, die an dem Report mitgearbeitet hat.

Das internationale Managementberatungsunternehmen DOTZON GmbH berät seit 2005 Unternehmen im deutschsprachigen Raum zu digitalen Identitäten. Darüber hinaus war sie unter anderem aktiv in der ICANN-GNSO Work Track 5 Working Group an der Ausarbeitung des »Work Track 5 Final Report to the New gTLD Subsequent Procedures Policy Development Process Working Group« beteiligt. Wir stellten unsere Fragen zum Report an Katrin Ohlmer, Geschäftsführerin der Dotzon GmbH.

Ihr seit Teil der Work Track 5 Working Group. In welcher Funktion und/oder mit welchem Standpunkt wirkt ihr in der Arbeitsgruppe mit?

DOTZON war seit Gründung der New gTLD Subsequent Procedures Working Group Mitglied des Work Track 5 (WT5), und hat zusammen mit ca. 20-30 anderen aktiven Mitgliedern an den Telkos und Diskussionen aktiv teilgenommen. Wir sind auch Mitglied der New gTLD Subsequent Procedures Working Group seit 2016. In allen Arbeitsgruppen hat DOTZON zunächst eigene Standpunkte vertreten. Seit April 2019 vertritt DOTZON die Interessen der geoTLD.group 1.

Was ändert sich durch den »Work Track 5 Final Report to the New gTLD Subsequent Procedures Policy Development Process Working Group« für Bewerber um geoTLDs?

Die Zusammensetzung des WT5 war ein Novum – mit vier Co-Chairs (neben der GNSO auch ALAC, GAC und ccNSO), die die Supporting Organizations und Advisory Committees (SOs und ACs) repräsentierten, gab es erstmals einen Policy Development Prozess, in dem nicht nur die Generic Names Supporting Organization (GNSO) aktiv war. Daraus resultierten allerdings auch sehr diverse Meinungen, so dass Einigungsprozesse schwer bis unmöglich waren.

Zu den wenigen erzielten Einigungen gehörten sprachliche Vereinfachungen, um mehr Klarheit für Bewerber zu erreichen. Zudem fehlte bei einigen Regelungen die Konsistenz zwischen dem Final Report – Introduction of New Generic Top-Level Domains aus 2007 und dem Applicant Guidebook aus 2012. Denn einige Regeln aus 2007 waren in dem Applicant Guidebook nicht hundertprozentig berücksichtigt. In dem aktuellen Report sind diese nun umgesetzt.

Wenn sich etwas ändert, ist es eine Änderung zum Guten oder zum Schlechten?

Zum Guten: Ein bisschen mehr Klarheit für Bewerber wurde erreicht. Aber es wurde auch die Chance verpasst, noch mehr Klarheit zu schaffen und geografische Begriffe zu schützen.

Welche Änderungen zugunsten von Bewerbern um geoTLDs wären wünschenswert gewesen?

Aus Sicht der geoTLD.group standen zwei Punkte auf der Wunschliste:

Bei Bewerbungen von Hauptstädten, deren Namen einen IDN-Character enthalten (wie die Hauptstadt São Tomé des afrikanischen Inselstaates São Tomé und Príncipe), wäre eine Erweiterung des Schutzes jenseits des reinen IDN-Namens (xn—sotom-9qa0c) wünschenswert gewesen, denn Bürger identifizieren sich mit dem richtigen, aber nicht dem IDN-Namen ihrer Stadt.

Zudem schlug die geoTLD-Gruppe vor, dass eine neue Regelung im Auktionsfall eingeführt wird: Wenn es mindestens zwei Bewerbungen um den gleichen Begriff gibt, von denen einer als geoTLD deklariert wird, soll die geoTLD Vorrang haben (Public-vs.-Private-Interest-Konzept). Dieses Vorgehen hatte auch die Business Constituency gefordert.

Bei beiden Punkten war leider kein Konsens in der WT5-Gruppe zu erzielen.

Aus meiner persönlichen Sicht:

  • Ein expliziter Hinweis und die Berücksichtigung nationaler Rechtsrahmen, in denen geografische Begriffe Priorität genießen, ist essentiell. Denn ohne dies zu berücksichtigen verletzt ICANN mit dem ICANN Applicant Guidebook automatisch nationales Recht, was laut den ICANN Bylaws eigentlich ausgeschlossen ist.
  • Wichtig finde ich außerdem eine Ausweitung des Schutzes von Stadtnamen, d. h. die Erfordernis eines Non Objection bzw. Supportletter für TLD-Bewerbungen auch bei Stadtnamen, die keine Hauptstadtnamen sind. Damit wäre für alle Bewerber klar, wie ICANN Stadtnamen behandelt; außerdem würden geografische Namen besser geschützt werden.
  • Alternativ wäre für jede TLD-Bewerbung, die zu einem String eingeht, der auch einem geografischen Namen entspricht, ein Erfordernis für einen Non Objection bzw. Supportletter unabhängig vom Intended Use, also dem Verwendungszweck der TLD.

Wie schätzt ihr die Bewertung/Diskussion zu den beiden Vorschlägen von Work Track members zu Non-Capital City Names ein ( (E) 3., Seiten 21—24 des Reports )?

Der erste Vorschlag kam von der Intellectual Property Constituency (IPC) mit der Idee, dass dotBrand-Bewerbungen explizit aus der geoTLD-Kategorie ausgenommen werden sollen, auch wenn der String einer geografischen Bezeichnung entspricht. Hier wäre eine abschließende Liste an TLD-Kategorien nötig gewesen. Zudem ist die Aussage, dass es keine Liste von Stadtnamen gibt, so nicht richtig, ebenso wie die daraus folgende Schlussfolgerung, dass demzufolge Stadtnamen auch nicht geschützt seien.

Der zweite Vorschlag kam von mir mit der Idee, dass eine abschließende Liste mit Stadtnamen (z. B. die UN-Liste) mehr Klarheit für Bewerber bringt, welcher String einem Stadtnamen entspricht, so dass Konflikte wie um .spa künftig hätten reduziert werden können.

Leider gab es für beide Vorschläge keinen Konsens innerhalb der Arbeitsgruppe.

Wird es – nach Eurer Einschätzung – noch Änderungen des Reports geben, ehe er zur Kommentierung freigegeben wird, und wenn ja, welche?

Derzeit wird der Report von den SOs und ACs gesichtet. Es ist durchaus denkbar, dass hier noch Input und Änderungswünsche kommen.

Außerdem erscheint uns eine weitere Kommentarphase zu Punkten wahrscheinlich, zu denen bisher noch keine Kommentare abgegeben werden konnten. Denkbar ist auch, dass die dazu eingehenden Kommentare in Zusammenhang mit bereits gelösten Punkten stehen und daher dann noch einmal zu diskutieren sind.

Gibts von Euch darüber hinaus dazu noch etwas zu sagen?

Wir hätten uns gewünscht, dass in der Policy-Diskussion der Aspekt des Global Public Interest, dem ICANN verpflichtet ist, stärker Rechnung getragen wird. Immerhin verwaltet ICANN einmalige weltweite Ressourcen, die einen sorgsamen und verantwortungsvollen Umgang erfordern.

Denn zahlreiche Entscheidungen bei ICANN zeigen, dass dem Global Public Interest nicht in dem Maße Rechnung getragen wurde wie aus unserer Sicht sinnvoll, so z. B. die Zulassung von Closed Generics, die inkonsistenten Similarity-Entscheidungen oder die Causa .amazon.

Vielen Dank.


1 Die geoTLD.group ist eine internationale gemeinnützige Mitgliedervereinigung, die die Interessen geographischer Top-Level-Domains (geoTLDs) vertritt, die Städte, Regionen, Sprachen oder Kulturen identifizieren, wie .berlin, .africa oder .cat.

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