Die Internet-Verwaltung ICANN hat angekündigt, die Endfassung des Bewerberhandbuchs für neue generische Top Level Domains bis Dezember 2025 veröffentlichen zu wollen. Bereits jetzt zeichnen sich einige Änderungen gegenüber der Vorgängerversion aus dem Jahr 2011 ab.
Das Herzstück des nTLD-Einführungsverfahrens bildet das Applicant Guidebook, kurz AGB. Es regelt, unter welchen Voraussetzungen eine neue Domain-Endung von ICANN zugelassen wird. Am 30. Mai 2025 hat ICANN eine vollständige Entwurfsversion des AGB veröffentlicht. Die öffentliche Anhörung hierzu wurde im Juli 2025 abgeschlossen, und nach derzeitigem Stand soll die Endfassung des AGB im Dezember 2025 vorliegen, so dass das Bewerbungsfenster wie geplant im 2. Quartal 2026 geöffnet werden kann. Mit voraussichtlich 395 Seiten fällt es umfangreicher aus als seine Vorgängerversion aus dem Jahr 2011, die mit rund 350 Seiten auskam. Das hat seinen Grund unter anderem in einigen geplanten Änderungen. Die wohl wichtigste betrifft alle .brand-Bewerber. Sie müssen eine Signed Mark Data (SMD)-Datei des Trademark Clearinghouse (TMCH) einreichen, um sich um eine Markenendung zu bewerben; eine umgehende Eintragung des gewünschten Zeichens beim TMCH ist also zu empfehlen. Ein Vorteil für .brands: gerät das gewünschte Zeichen in einen Konflikt mit einer anderen Bewerbung, kann der Bewerber ein Wort aus dem Abschnitt »goods and services« des AGB seiner Markenregistrierung an die beantragte Zeichenfolge anhängen, um aus dem Konflikt herauszukommen. Da fällt die zusätzliche „brand application evaluation fee“ von voraussichtlich US 500,– nicht mehr so ins Gewicht.
Inhaber einer Marke, die wie »Bild« oder »Spiegel« einem generischen Begriff entspricht, müssen zudem mit erheblichen Einschränkungen rechnen. ICANN beabsichtigt Bewerbungen für Zeichen zu untersagen, die von generischer Natur sind und deren Verwendung ausschließlich auf das Unternehmen des Bewerbers beschränkt sein soll; damit will ICANN das Problem der »closed generics« umgehen. Jedem potentiellen Bewerber ist außerdem zu empfehlen, sich mit dem »Registry Service Provider Evaluation Program« zu beschäftigen. Bei der Einführungsrunde 2012 mussten die Bewerber eine Reihe technischer Fragen zu DNS-Operationen, Infrastruktur und Sicherheitsprotokollen beantworten, was eine erhebliche Herausforderung darstellte. Um diesem Problem zu begegnen, hat ICANN ein Vorab-Evaluierungsprogramm eingeführt; Back-End-Registry-Betreiber werden dabei vorab geprüft und zugelassen. Wenn sich ein Bewerber für einen dieser vorab akkreditierten Anbieter entscheidet, beschleunigt er das Bewerbungsverfahren erheblich und reduziert damit die Kosten. Wichtig zu wissen ist auch, dass ICANN im Fall von Mehrfachbewerbungen private Aktionen unter den Bewerbern verbieten will. Sobald alle Prüfungsprozesse abgeschlossen sind, werden alle verbliebenen Mehrfachbewerbungen stattdessen in eine von ICANN durchgeführte Auktion gesteckt. Bewerber, die eine private Lösung versuchen, riskieren die Zurückweisung ihrer Bewerbung und können von zukünftigen Einführungsrunden ausgeschlossen werden. Für alle Bewerber von Vorteil ist schließlich die Möglichkeit, eine alternative Top Level Domain zu benennen. Wenn sich ein Bewerber am »reveal day« (also dem Tag, an dem alle beworbenen Zeichenfolgen und die jeweiligen Bewerber veröffentlicht werden) in Konkurrenz mit einem Mitbewerber um die gleiche Zeichenfolge befindet, kann er ohne zusätzliche Kosten zu seiner alternativen Endung wechseln.
Ob sich alle diese Änderungen in der Endfassung des AGB wiederfinden, bleibt abzuwarten. Schon jetzt wird aber das Bemühen von ICANN deutlich, aus der Einführungsrunde 2012 zu lernen und den Bewerbungsprozess planbarer, fairer und transparenter zu machen. Das nächste Treffen des Implementation Review Team (IRT) von ICANN zur Vorbereitung der Einführungsrunde ist übrigens für den heutigen Donnerstag angesetzt; weitere Termine sind für den 07. und den 14. Oktober 2025 geplant. Gut möglich, dass wir dann schon mehr wissen.