vossius.de-Entscheidung des BGH: Ein Pyrrhussieg!

Die vossius.de-Entscheidung ist das vierte Urteil des BGH zum Domain-Recht (nach mitwohnzentrale.de, ambiente.de und shell.de). Mit dieser Entscheidung wirkt der BGH auf die vielfach entwickelten Vorstellungen früherer Entscheidungen ein und konturiert den einzuschlagenden Weg bei der Beurteilung von Domain-Streitigkeiten.

Der Sachverhalt
Um die Domain vossius.de stritten zwei Patentanwaltskanzleien: „Vossius & Partner“ und „Dr. Volker Vossius“. Herr Dr. Vossius hatte eine Kanzlei aufgebaut, die sich ab 1989 „Vossius & Partner“ nannte. Aus der schied er aus und stieg in die Kanzlei seiner Tochter und ihres Ehegatten ein (alle drei sind Beklagte), die sich von da an „Dr. Volker Vossius Patentanwaltskanzlei Rechtsanwaltskanzlei“ nannte. 1997 widerrief Dr. Vossius gegenüber Vossius & Partner, die Gestattung, den Namen Vossius zu führen. Der Schwiegersohn von Dr. Vossius registrierte für die Kanzlei die Domain „vossius.de“ und später für sich die Domain „vossius.com“. Die klagende Partei „Vossius & Partner“ registrierte die Domains „vossiuspartner.de“ und „vossiusundpartner.de“ sowie „vossiuspartner.com“ und „vossiusandpartner.com“.

Mit der Wahl der Domains von der Konkurrenzkanzlei Dr. Volker Vossius waren die Partner von Vossius & Partner nicht glücklich, weshalb sie u.a. auf Unterlassung klagten. Der Rechtsstreit lief durch zwei Instanzen bis zum Bundesgerichtshof, der 3. Instanz. Dort beantragten die Kläger zuletzt u.a., die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr als Internet-Adresse die Domain-Namen „vossius.de“ und/oder „vossius.com“ sowie als E-mail-Adresse „kanzlei@vossius.de“ zu benutzen.

Die Vorinstanzen
Die Kläger waren in den ersten beiden Instanzen erfolgreich. Das Landgericht München I (Urteil vom 19.08.1998) hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, den Klägern stehen nach wie vor das Recht zu, den Namen „Vossius & Partner“ zu führen. Dieses Recht sei durch die Benutzung der Domain-Namen seitens der Beklagten verletzt, da Verwechslungsgefahr bestehe. Folglich stehe den Klägern die geltend gemachten Ansprüche zu.

Auch das OLG München sah in seinem Urteil vom 16.09.1999 (Az. 6 U 6228/98) die Klage in vollem Umfang begründet und bezieht sich auf die Begründung des LG München I.

Beide Gerichte wie auch der BGH sind der Ansicht, das Namensrecht der Kläger ist nicht durch den von Dr. Vossius erklärten Widerruf einer etwa noch bestehenden Gestattung zur Führung seines Namens erloschen. Dabei gingen die Gerichte davon aus, dass der Widerruf einer einmal erteilten Einwilligung grundsätzlich ausgeschlossen ist, es sei denn, der Rechtsträger mißbraucht den Namen zu unlauteren Geschäften und fügt damit dem Namensgeber erheblichen Schaden zu. Auf Basis dessen waren die Kläger zur Klage berechtigt.

Um nun sein Recht zur Nutzung der Domains zu begründen, argumentierte Dr. Vossius, ihm stehe gegenüber den Klägern das prioritätsältere Namensrecht zu, da er bereits seit 1961 unter seinem Familiennamen als Patentanwalt tätig gewesen sei. Zudem stünde allen Beklagten das unentziehbare Recht zu, ihren Familiennamen zu führen und im Rechtsverkehr zu gebrauchen, also auch als Domain-Name.

Diese Ausführungen gingen nach Ansicht des OLG München am Thema vorbei, tatsächlich ist die Kanzlei Dr. Volker Vossius später gegründet worden, womit sie prioritätsjünger als die Kanzlei der Kläger sei. Deshalb sei es an dem Beklagten, die ohnehin bestehende Verwechslungsgefahr durch Aufnahme unterscheidungskräftiger Zusätze abzumildern, soweit möglich. Denn es bestehe zwischen den von den Beklagten benutzten Domain-Namen und der Kanzleibezeichnung der Kläger eine Verwechslungsgefahr.

Die BGH-Entscheidung
Gegen die Entscheidung des OLG München wurde Rechtsmittel eingelegt; der Rechtsstreit ging zum BGH. Der BGH nun stimmt den vorausgegangenen Entscheidung zu, allerdings grenzt er die Entscheidungen dahin ein, dass, obwohl die Verwechslungsgefahr besteht, die Beklagten ihre Domains benutzten dürfen, soweit eine Kennzeichnung der anderen Kanzlei auf der Webseite angebracht wird.

Der BGH ist der Ansicht, die Untersagung der Nutzung der Domains kommt nicht in Betracht! Ein Unterlassungsanspruch könnte sich allenfalls aus dem Namensrecht (§ 12 BGB) ergeben. Aber als Namensträger ist den Beklagten die Nutzung des Namens nicht zu untersagen.

An dieser Stelle differenziert der BGH die Gründe für die Entscheidung über die Domain „shell.de“. In der shell.de-Entscheidung überwogen die berechtigten Interessen der Shell GmbH deutlich die von Herrn Dr. Shell, die Domain „shell.de“ gegebenenfalls sogar privat zu nutzen. Die „shell.de“-Entscheidung stelle eine Ausnahme dar. Grundsätzlich sind Gleichnamige dem Prinzip der Priorität bei der Registrierung unterworfen, es gilt also weiter „first come, first served“:

„Dem muss sich grundsätzlich sogar derjenige unterwerfen, der über ein relativ stärkeres Recht verfügt als der Inhaber des Domain-Namens. Denn im Hinblick auf die Fülle von Konfliktfällen muß es im allgemeinen mit einer einfach zu handhabenden Grundregel, der Priorität der Registrierung, sein Bewenden haben.“

Einen besonderen Aspekt ergibt sich aus der Frage, welche eMail-Adressen man führen darf. Der BGH ist der Ansicht, dass Dr. Vossius die eMail-Adresse „kanzlei@vossius.de“ unumschränkt nutzen darf. Im Hinblick darauf wurde die Klage zurückgewiesen. Begründet wurde das vom BGH mit der fehlenden selbständigen Verwechslungsgefahr.

In Summa
Der BGH hat deutlich gemacht, dass die shell.de-Entscheidung eine Ausnahme darstellt. Für Gleichnamige gilt in der Regel das Prinzip „first come, first served“. Weiter hat er Ideen, die in seiner Entscheidung „mitwohnzentrale.de“ angesprochen wurden, weitergedacht; nämlich die Frage wie man einen Interessenausgleich zwischen „Gleichberechtigten“ herstellen kann. Wohlgemerkt, die Entscheidungen „vossius.de“ und „mitwohnzentrale.de“ sind nicht ohne weiteres vergleichbar, denn einmal geht es um das Namensrecht (vossius.de) und im andern Fall um Wettbewerbsrecht. Bereits in der mitwohnzentrale-Entscheidung hatte der BGH die Sache an das OLG zurückverwiesen, weil eine Irreführung nach § 3 UWG noch zu prüfen sei. Dazu erklärte der BGH:

„Die Zurückverweisung ist auch nicht deswegen entbehrlich, weil der Kläger mit seinem Antrag schlechthin das Auftreten der Beklagten unter der Domain-Bezeichnung „Mitwohnzentrale.de“ ohne unterscheidungskräftigen Zusatz untersagt wissen möchte. Zwar kann der Kläger ein derart weitgehendes Verbot nicht beanspruchen. Das in Betracht kommende Verbot, den Domain-Namen „Mitwohnzentrale.de“ zu verwenden, wenn nicht auf der Homepage der Beklagten darauf hingewiesen wird, daß es noch weitere, in anderen Verbänden zusammengeschlossene Mitwohnzentralen gibt, stellt aber ein Minus dar, das von dem weitergehenden Unterlassungsantrag umfaßt ist. “

Für den begrenzten Namensraum im Internet kündigt sich an, das mit der BGH-Entscheidung zur Domain „vossius.de“ nicht mehr der Domain-Name mit einem unterscheidenden Zusatz ausgestattet werden muss (wie etwa „volker-vossius.de“), sondern das das Unterscheidungsmerkmal auf der Homepage selber angebracht werden kann. Der rechtsverletzende Domain-Inhaber muss seine Domain dann nicht abgeben, aber er muss unter Umständen einen Link zum „Gegner“ setzen.

Das ist ein Schritt in die richtige Richtung!

Die Entscheidung des BGH finden Sie hier.

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