maggi.com

Nestlé/Maggi siegt gegen Privatmann

Zum schweizer Domain-Recht liegen mittlerweile zahlreiche Entscheidungen vor. Die jüngste befasst sich mit einer Frage, die der BGH bereits geklärt hat, und die auch das schweizerische Bundesgericht genau so behandelt: Hat der Träger eines bekannten Firmenschlagwortes gegenüber einer gleichnamigen Person ein besseres Recht an einer Domain? Offensichtlich ja, denn Romeo Maggi muss die Domain maggi.com an den Nestlé Konzern und die »Maggi-Unternehmungen AG« abgegeben.

In dem Rechtsstreit um die Domain maggi.com hatte der Nestlé-Konzern bereits eine Streitbeilegung über die UDRP über die WIPO (WIPO-Schiedsverfahren Nr. D-2001-0916) versucht, allerdings erfolglos. Danach hat Nestlé einen Sühneversuch vor dem Friedensrichteramt Hergiswil eingeleitet und schließlich Klage vor dem schweizerischen Kantonsgericht Nidwalden erhoben, mit Erfolg, der dann nochmals in der aktuellen Entscheidung des Berufungsgerichts, des Bundesgerichts Lausanne (Urteil vom 21.01.2005, 4C.376/2004 /lma), bestätigt wurde.

Während sich Nestlé und die Maggi-Unternehmen auf ihre Marken- und Namensrechte beriefen, erklärte Romeo Maggi, er nutze die Domain lediglich privat, weshalb das Markenschutzrecht sowie Ansprüche aus dem Firmenrecht außer Betracht fallen; die Klägerinnen können sich auch nicht auf das Namensrecht berufen. Diese Argumente fruchteten beim Bundesgericht jedoch nicht.

Das Bundesgericht bestätigte, es liege ein Konflikt zwischen dem Namensrecht des Beklagten (R. Maggi) und dem Marken-, Firmen- sowie Wettbewerbsrecht der Klägerinnen (Nestlé) vor, der in Abwägung der gegenseitigen Interessen zu lösen sei. Die Interessenabwägung erfolgte unter dem Gesichtspunkt, dass Internet-Benutzer unter der Domain maggi.com nicht einen unbekannten Familiennamen erwarten, sondern das berühmte Zeichen der Klägerinnen damit in Verbindung bringen. Dem Umstand, dass der Beklagte die Seite privat nutzt und also nicht im Wettbewerb mit den Klägerinnen, begegnet das Gericht unter der Erwägung, auch Handlungen, die ein Privater vornimmt, können eine Verletzung des gewerblichen Ausschließlichkeitsrechtes hervorrufen. Die Gefahr von Verwechslungen besteht in der gegebenen Konstellation. Die Korrektur des beim Internetnutzers entstandenen Irrtums auf der aufgerufenen Internetseite komme zu spät. Die Verwechslungsgefahr werde durch einen Hinweis auf der Internetseite nicht beseitigt.

Die Entscheidung wird in der Schweiz mit Unmut aufgenommen. Ueli Grüter schreibt in seinem Kommentar in der juristischen Onlinezeitschrift JusLetter auf weblaw.ch (Newsletter 7. März 2005; nur für Abonnenten einsehbar), die Entscheidung widerspräche nicht nur zuvor vom Bundesgericht selbst aufgestellten Grundsätzen, sondern führe zuletzt zu einer Enteignung. Diese Praxis, die seit der BGH-Entscheidung shell.de in Deutschland schon länger üblich ist, sei zumindest hinsichtlich der finanziellen Folgen für die Beklagten problematisch.

Grüter schlägt für den Fall der Gleichberechtigung der Parteien vor, als vorletzte Maßnahme den Domain-Inhaber dazu zu verpflichten,

»dem gleich berechtigten die Möglichkeit zu geben, zusammen mit jenem eine gemeinsame Einstiegsseite unter dem gleichen, strittigen Domain-Namen zu führen.«
Die Aufhebung der Registrierung eines Domain-Namens sei die Ultima Ratio, sollte durch ein gemeinsames Portal ein völlig unhaltbarer Zustand entstehen. Mit der Enteignung müsste jedoch eine Entschädigung einhergehen. Insgesamt fordert Grüter (völlig zu Recht) von den Gerichten mehr Mut und Phantasie.

In der Tat, letzteres wäre den Gerichten zu wünschen.

[update]
Andere Schweizer Rechtsanwälte begrüßen die Entscheidung, wenn auch nicht vorbehaltlos. So ist Dr. Jann Six – sicher nicht alleine – der Ansicht, es sei nicht die Phantasie, die Schweizer Gerichte vermissen ließen, sondern vielmehr die »Dispositionsmaxime«, die in solchen Fällen wie der Streit um maggi.com in der Schweiz zur Anwendung gelangt:

»Diese besagt, dass das Gericht dem Kläger kein „aliud“ zuerkennen darf. Übertragung ins Alleinnutzungsrecht oder blosses Mitnutzungsrecht sind nun aber – entgegen der Ansicht Grüters – wirklich nicht das gleiche.«
Ein »Weniger« lasse sich nur bei Geld und vertretbaren Sachen und wenigen, gesetzlich geregelten Ausnahmen ausurteilen; bei Domain-Namen gehe das nicht.
»Es war dem Gericht, mangels eines entsprechenden Antrages, deshalb nur möglich, die Klage entweder gutzuheissen oder abzuweisen.«
Zuzustimmen sei der Ansicht Rechtsanwalt Ueli Grüter bei der Frage der Kostenverteilung.

Ein Detail im Sachverhalt des Rechtsstreits gibt der Entscheidung einen anderen Aspekt. Dr. Six teilt weiter mit, dass ursprünglich keine Gleichnamigkeit vorlag. Die Pro Fiducia Treuhand AG hatte die Domain maggi.com registriert, aber ohne ein entsprechendes Kennzeichnungsrecht vorweisen zu können. Erst später übertrug man die Domain auf Herrn Romeo Maggi, als sich die Klage abzeichnete.

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