Die Frage, ob Gattungsdomains erlaubt sind oder nicht, hatte vor mittlerweile geraumer Zeit der BGH beantwortet: sie sind unbedenklich (mitwohnzentrale.de, BGH, Urteil vom 17.05.2001, Az.: I ZR 216/99). Bei Nachnamen, die eine Gattung bezeichnen, war die Frage sicher nie von Interesse: Setzer, Kraut, Leber und Hörer haben kein Problem, weil sie sich auf ihre Namen berufen können – das gilt jedenfalls für den jeweils ersten, der sich die Domain registriert hat. Die zweiten, die die Domain registrieren möchten, haben ein Problem, da im Prinzip der Grundsatz »first come, first served« gilt. Wie sieht es aber aus, wenn sich jemand die Gattungsdomain registriert hat, dessen Nachnamen nicht mit dem Domain-Namen identisch ist?
Stellt sich also die Frage, wie es aussieht, wenn der eigene Name einem Gattungsbegriff gleicht und die entsprechende Domain bereits von jemandem registriert ist, der diesen Namen nicht trägt? Wie sieht es in der Rechtsprechung aus?
Ein bekanntes Beispiel ist der Fall winzer.de (LG Deggendorf, Urteil v. 14.12.2000, Az. 1 O 480/00). Die Domain winzer.de ist von einer Privatperson registriert, die nicht den Namen »Winzer« trägt. Die Gemeinde Markt Winzer, die nach dem amtlichen Ortsverzeichnis für Bayern »Winzer« heißt, wollte die Domain winzer.de für sich registrieren. Vor Gericht scheiterte sie.
Das Gericht ging in diesem Fall vom Prinzip »first come, first served« aus. Wer die Domain zuerst registriert, ist berechtigter Inhaber. Im Rahmen der Rechtsfindung fragte sich das Gericht, welche Erwartungen Internetnutzer haben, wenn sie die Domain winzer.de aufrufen. Diese Prüfung war notwendig, da mit ihr die Frage geklärt wird, ob eine Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung besteht. Eine Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung setzt der Tatbestand des § 12 BGB (Namensrecht) voraus, auf den sich die Gemeinde Markt Winzer bei ihrem Anspruch auf Freigabe der Doman stützte. Wäre das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, es läge eine solche Verwirrung der Internet-Nutzer in relevanter Weise vor, wäre die Verwendung der Domain durch ihren Inhaber unbefugt gewesen und er hätte sie freigeben müssen.
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass im regionalen Umfeld der Gemeinde Markt Winzer die Erwartung groß sei, unter winzer.de die Heimatgemeinde zu finden. Das aber reiche nicht aus. Man müsse, um die Frage richtig zu beantworten, die gesamte Zielgruppe unter der Top Level Domain betrachten. Das ist im wesentlichen der gesamte deutsche Sprachraum. Im deutschen Sprachraum versteht der ganz überwiegende Teil der Internetnutzer unter dem Wort Winzer nicht die Gemeinde Markt Winzer, sondern den Beruf des Weinbauern. Unter diesen Umständen kann man lediglich von einer Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung im niederbayrischen Raum sprechen. Diese müsse aber im Verhältnis zum gesamten deutschsprachigen Raum zurücktreten. Dabei berücksichtigte das Gericht auch, dass die Gemeinde öffentlich gerade als Markt Winzer auftritt und nicht als Winzer. So lauten die Ortsschilder auf Markt Winzer und auf dem Briefpapier der Gemeinde heißt es ebenfalls Markt Winzer.
Einen vergleichbaren Fall hatte das LG München (Urteil vom 08.03.2001, Az.: 4 HK 0200/01) zu entscheiden. Die Parteien stritten um die Domain saeugling.de. Hier fühlte sich der Inhaber des bürgerlichen Namens Säugling, unter dem er ein Journalistenbüro führt, in seinen Rechten verletzt. Auch in dieser Konstellation sah das Gericht keine Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung, da es sich um einen Gattungsbegriff handelt und die Mehrzahl der Internetnutzer nicht erwartet, unter dieser Domain Informationen über Herrn Säugling und sein Journalistenbüro zu finden, sondern über Babys.
Daraus lässt sich schlußfolgern, dass unbekannte Personen mit einem Nachnamen, der einem Gattungsbegriff gleicht, keinen Anspruch auf den entsprechenden Domain-Namen haben, selbst wenn der Inhaber der Domain kein besonderes Recht an der Domain hat und nur das Prinzip »first come, first served« wirkt. In solchen Fällen ist davon auszugehen, dass eine etwaig entstehende Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung hinter dem allgemeinen Interesse der Internetnutzer zurücksteht. Denn die Mehrzahl der Internetgemeinde hofft gerade nicht die Webseite einer bestimmten Person oder Gemeinde unter dem Gattungsdomain-Namen zu finden, sondern Informationen über den Gattungsbegriff. Die Geltendmachung von Ansprüchen auf Freigabe der Domain durch den Inhaber des Namensrechts wird in der Regel nicht erfolgreich sein. Ausnahmen dürften sich aber bei bekannten und berühmten Nachnamen ergeben, die einem Gattungsbegriff gleichen. Etwa im Falle, wenn der bekannte Tennisspieler Boris Becker tatsächlich Bäcker hieße, wäre die Frage, wer Anspruch auf die Domain baecker.de hat, nicht so leicht zu beantworten.
Eine Frage, die an dieser Stelle noch zu berücksichtigen wäre, ist die nach Branchendomains. In diesen Fällen dreht es sich nicht mehr um Namensrechte, sondern um unlauteren Wettbewerb (§§ 1, 3 UWG) und sittenwidrige Behinderung (§§ 826, 226, 1004 BGB); ggf. auch um Markenrechte.
Winzer.de ist eine Branchendomain: wenn schon nicht ein berechtigter Namensträger Inhaber der Domain ist, so sollte sie doch in Händen eines Branchenangehörigen liegen oder gar in denen des Branchenverbandes? Dies wurde von Gerichten verschiedentlich vertreten; darunter vom LG Frankfurt (drogerie.de) und dem hOLG Hamburg (rechtsanwalt.com). Näheres dazu finden Sie in einem früheren Artikel auf domain-recht.de. Nachdem die Entscheidung des LG Frankfurt vom OLG Frankfurt aufgehoben wurde, sollte die Frage obsolet sein.
Der Entscheidung des OLG Frankfurt zu drogerie.de ist zu folgen. Danach muss der Inhaber einer Branchendomain wie drogerie.de (aber auch winzer.de) nicht Mitglied der Branche sein, um berechtigter Domain-Inhaber zu sein. Zur Begründung erklärte das Gericht, dass »ein verständiger und aufgeklärter Internet-Nutzer hinter der Domain www.drogerie.de eine Web-Site vermutet, die zwingend von einem Drogisten gestaltet oder zumindest kontrolliert wird, nicht zu erwarten ist. Dagegen spricht bereits, dass der Begriff ›Drogerie‹ für die Bezeichnung einer Website zu vielsagend und damit zu unbestimmt ist.«
Schade bei alledem ist allerdings, dass die genannten Beispieldomains von deren Inhabern nicht genutzt werden. Sowohl winzer.de als auch saeugling.de bieten bis heute keinerlei Informationen für Interessierte.