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Namen und geographische Angaben

Domain-Rechtsstreite über Namensrecht können dem Namensinhaber, dessen Namensrecht durch eine registrierte Domain vermeintlich verletzt wird, überraschende Wendungen nehmen: Wenn der Name nicht namensmäßig, sondern als geographische Angabe genutzt wird.

Bekannt ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung info-duisburg.de (Urteil vom 01.06.2001, Az.: 38 0 12/01), über die das LG Düsseldorf zu entscheiden hatte und die Klage der Stadt Duisburg abwies. Hintergrund für die Entscheidung war, dass eine versteckte Vorraussetzung des Unterlassungsanspruchs aus § 12 BGB nicht vorlag: Eine Domain, die einem Namen im Sinne von § 12 BGB entspricht, muss auch namensmäßig benutzt werden; andernfalls greift der Anspruch des § 12 BGB nicht durch.

Voraussetzungen für das Namensrecht
Der Namensinhaber kann Unterlassungsansprüche gegen denjenigen geltend machen, der das Recht am Namen des Namensinhabers bestreitet, oder wenn das Interesse am Namen dadurch verletzt wird, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht (Namensanmaßung). Dann ergibt sich der Unterlassungsanspruch des § 12 BGB.

Voraussetzung für einen Anspruch aus § 12 BGB ist die unbefugte Benutzung eines fremden Namen im Sinne eines Bestreitens des Namensinhaber-Rechtes zum Gebrauch des Namens (Namensleugnung) oder durch Namensanmaßung. Unbefugt meint, dass kein Recht zu Nutzung des Namens besteht, mithin die Namensverwendung rechtswidrig ist. Die Widerrechtlichkeit ergibt sich sukzessive aus der Namensrechtsverletzung, also aus dem Vorliegen der Voraussetzungen (Namensleugnung oder Namensanmaßung) des § 12 BGB.

Eine weitere Voraussetzung ist nicht explezit in § 12 BGB genannt: Der Name muss auch namensmäßig vom Unberechtigten genutzt werden. Keine namensmäßige Nutzung eines Namens ist beispielsweise die bloße Namensnennung. Das gilt etwa für in einem Zeitungsartikel genannte Namen. Auch Namen, die zur geographischen Verortung benutzt werden, werden nicht namensmäßig gebraucht – so wie bei der Domain info-duisburg.de. Das LG Düsseldorf erklärte in den Entscheidungsgründen:

»Orts- und Städtenamen sind stets auch geographische Angaben, die dazu dienen, ein bestimmtes räumliches Gebiet von anderen Flächen zu unterscheiden. Insoweit handelt es sich um eine beschreibende Angabe der geographischen Lage, ohne daß damit die Stadt als öffentlich-rechtliches Subjekt, handelnd durch ihre gesetzlich bestimmten Vertreter, gemeint ist und als solches verstanden wird.«

»Die von den Beklagten verwendete Bezeichnung ›info-duisburg.de‹ als Internetadresse ist als geographische Kennzeichnung zu verstehen. Der Bestandteil ›info‹ wird allgemein als Abkürzung für das Wort Information verstanden. Der Gesamtbegriff ›info-duisburg‹ läßt Informationen über Duisburg erwarten.«

Aufgrund dieser Entscheidung kann man mit kombinierten Städtedomains relativ aber nicht 100-prozentig sicher sein.

canalgrande.de
Nun hat das LG Düsseldorf in einer neueren Entscheidung über die Domain canalgrande.de (Urteil vom 12.06.2002, Az.: 2 a O 346/01) seine obige Rechtsprechung fortgeführt. Mit canalgrande ist keine Stadt oder Gemeinde gemeint, sondern ein benamter Ort, der freilich kein Rechtssubjekt darstellt wie eine Stadt. Dafür aber gibt es ein italienisches Restaurant, welches unter der Bezeichnung »Zum Bootshaus Canal Grande« im Gewerberegister eingetragen ist und unter der Kurzbezeichnung »Canal Grande« im Geschäftsverkehr auftritt.

Der Betreiber des Restaurants hat den Inhaber der Domain canalgrande.de u.a. auf Unterlassung der Nutzung und Freigabe der Domain verklagt. Der Klageabweisung beantragende Beklagte hielt entgegen, er habe die Absicht gehabt und habe sie auch jetzt noch, die Domain in Verbindung mit einem Bericht über den Kanal in Venedig zu nutzen. Er ist der Ansicht, er sei gemäß § 23 MarkenG befugt, eine Marke im Bezug auf eine geografische Herkunft zu benutzen.

Erst nach Klageerhebung hat der Beklagte Bilder von Venedig und dem Canal Grande sowie folgenden Text auf der Website hinterlegt:

»Hallo, ich freue mich, dass es noch mehr Leute gibt, die, wie ich, immer wieder gerne etwas Neues über Venedig erfahren wollen. Leider habe ich nicht die Zeit, mich intensiver um Canal Grande zu kümmern.«

Namensrecht: ja!
Das Gericht befand, dass dem Kläger tatsächlich ein Namensrecht an der Bezeichnung »Canal Grande« zustehe, auch wenn das Restaurant des Klägers tatsächlich »Zum Bootshaus Canal Grande« heißt. Der Namensbestandteil »Canal Grande« sei auch unterscheidungskräftig, was beschreibenden Angaben, Gattungsbezeichnungen oder geographischen Angaben grundsätzlich nicht zukomme, weil sie einen bestimmten Geschäftsbetrieb oder eine bestimmte Person nicht individualisieren können.

Aber der Begriff beschreibt nicht den Geschäftsbetrieb des Klägers, seine im Restaurant angebotenen Waren und Dienstleistungen. Es handele sich auch nicht um eine örtliche Herkunftsangabe auf dem Dienstleistungs- und Produktsektor des Klägers, die markenrechtlich geschützt sein könnte. Deshalb bestehe kein Freihaltebedürfnis bezogen auf den Geschäftsbetrieb des Klägers.

Unterlassungsanspruch: nein!
Folglich liegt, trotz des Namensrechts des Klägers am Begriff, keine Namensleugnung Seitens des Beklagten aufgrund der Registrierung der Domain »canalgrande.de« vor. Das LG Düsseldorf bezweifelt schon, dass sich die streitgegenständliche Domain für den Internetbenutzer als eine namensmäßige Bezeichnung des Domain-Inhabers darstellt. Damit läge keine namensmäßige Nutzung vor. Denn der Domain-Inhaber bezeichnet nicht sich mit der Domain. Vielmehr wird der Domain-Name von Internetnutzern als geographische Angabe verstanden. Aber darauf komme es letztlich nicht an, da der Beklagte die Bezeichnung »canalgrande.de« berechtigterweise nutzt.

Die Nutzung der Bezeichnung »Canal Grande« zur Benennung des berühmten Kanals in Venedig stellt kein Bestreiten des Namensrecht des Klägers dar. »Der Namensschutz des Klägers findet dort seine Schranke, wo ein Freihaltebedürfnis des Verkehrs besteht, Namen von Orten, Flüssen etc. als solche, d.h. als geographische Bezeichnungen nutzen zu können.«

Berechtigte Interessen des Domain-Inhabers
Der Beklagte kann sich auf berechtigte Interessen berufen, obwohl er keine Namens- oder Kennzeichenrechte an canalgrande hat. Denn mit der Domain ist der allgemein bekannte Name des Kanals in Venedig bezeichnet. Folglich bestreitet der Domain-Inhaber mit dem Domain-Namen nicht das Namensrecht des Klägers. Zudem hat er die Domain zuerst reserviert. Deshalb muss der Kläger aufgrund des geltenden Prioritätsgrundsatzes (first comes, first served) hinnehmen, dass der beklagte Inhaber der Domain ist und sie nutzt.

Eine Namensanmaßung liegt durch Nutzung der Domain canalgrande.de auf Seiten des Beklagten ebenfalls nicht vor. Denn er benutzt den Namen des Klägers, wie oben bereits gesagt, nicht unbefugt, weil er berechtigte Interessen hat. Es fehlt in diesem Zusammenhang auch an einer Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung und folglich an einer Interessensverletzung des Klägers. Der Beklagte nutzt die Domain nicht im geschäftlichen Verkehr, eine Branchennähe liegt nicht vor. Mit Aufruf der Domain wird jedem sofort klar, dass es sich nicht um die Website des Klägers handelt.

Auch markenrechtliche Ansprüche aus § 14 Abs. 5 MarkenG oder firmenrechtliche Ansprüche aus § 15 Abs. 4 MarkenG kommen nicht in Betracht, da die Domain nicht im geschäftlichen Verkehr genutzt wird und der Beklagte eine entsprechende Unterlassungserklärung bezogen auf die Branche des Klägers abgegeben hat.

Resümee
Die Nutzung eines Begriffs als geographische Angabe in einem oder als Domain-Name(n) ist somit rechtlich (weitestgehend) unbedenklich. Das Problem liegt darin, auszumachen, wann lediglich eine Nutzung als geographische Angabe und wann eine als Name vorliegt. Hier gilt zunächst, dass der Domain-Name den Domain-Inhaber nicht namensmäßig bezeichnet – etwa wie schneidermeister.de, wenn Inhaber der Domain Herr Schneidermeister ist. Ob sich daraus ein Konflikt mit allen Schneidern mit Meistertitel ergeben könnte und wie der zu regeln wäre, sei dahingestellt. Darüber hinaus darf in einem Domain-Namen der Name eines anderen nicht namensmäßige verwendet werden. Das wäre beispielsweise bei der Domain borisbecker.de der Fall, wenn sie unautorisiert von einem anderen als Boris Becker genutzt würde und gleichwohl Informationen zu Boris Becker bereitstellte. Dass in diesem Fall zudem wegen der Berühmtheit des Namens auch ein Unterlasssungsanspruch durchsetzbar wäre, wenn keine Informationen zu Boris Becker bereitgestellt würden, sei einmal dahin gestellt.

Die Entscheidung canalgrande.de finden Sie unter jurpc.de.

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