Pfändung

Denic verliert vor dem Verfassungsgerichtshof des Freistaats Sachsen

Die DENIC eG ist im Rahmen der Pfändung von .de-Domains Drittschuldnerin. Dieser von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht hat sich nun auch der Verfassungsgerichtshof des Freistaats Sachsen (Beschluss vom 10.09.2020 – Az. Vf. 113-IV-19) angeschlossen.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde war eine im Juli 2013 von der Stadt G. erlassene Pfändungsverfügung wegen offener Gewerbesteuerforderungen in Höhe von ca. EUR 28.000,– gegenüber einer GmbH & Co KG, mit der die DENIC als Drittschuldnerin in Anspruch genommen wurde. Pfändungsgegenstand waren schuldrechtliche Ansprüche, die dieser KG wegen fünf .de-Domains gegenüber der DENIC zustanden. Den Widerspruch der DENIC wies die Stadt mit einem mit Widerspruchsbescheid im Dezember 2014 zurück; zugleich wurde der DENIC aufgegeben, eine Übertragung oder Löschung der Domains zu unterlassen. Die DENIC erhob dagegen Anfechtungsklage und machte unter anderem geltend, dass ihr eine Drittschuldnerrolle nicht zukomme. Im April 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage jedoch ab. Auch das Berufungsverfahren vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht brachte der DENIC keinen Erfolg, ebenso wenig eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht. Somit blieb noch der Weg vor den Verfassungsgerichtshofes des Freistaats Sachsen. Dort rügte die DENIC eine Verletzung des Art. 18 Abs. 1 SächsVerf in seiner Ausprägung als Willkürverbot. Die Auslegung und Anwendung der zwangsvollstreckungsrechtlichen Normen hinsichtlich des verhängten Leistungsverbots und weiterer Normen durch das Oberverwaltungsgericht sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar. Insbesondere die Annahme, das ausgesprochene Leistungsverbot (d.h. der Verbote, die Domains zu löschen und zu übertragen) finde in den § 321 Abs. 1, § 309 Abs. 1 Satz1 AO i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 SächsVwVG eine rechtliche Grundlage, beruhe auf einem krassen Fehlverständnis dieser Normen, wobei die DENIC diesen Punkt ausarbeitete und im Detail auf die Besonderheiten der Domain-Registrierung einging.

Doch auch vor dem Verfassungsgerichtshof konnte die Rechtsauffassung der DENIC nicht überzeugen. Zwar war die Verfassungsbeschwerde zulässig, aber unbegründet, da eine Verletzung des Willkürverbots nicht vorlag. Die Hürde hierfür liegt hoch; insoweit wird ein Beschwerdeführer nur durch eine gerichtliche Entscheidung verletzt, die bei verständiger Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und daher offensichtlich unhaltbar ist. Von einer willkürlichen Missdeutung könne nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt. Das sei vorliegend der Fall. Das Oberverwaltungsgericht habe sich mit der Rechtslage zu §§ 309 ff. AO und insbesondere der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Zwangsvollstreckung in domainvertragliche Ansprüche auseinandergesetzt und seine – von der DENIC nicht geteilte – Auffassung eingehend begründet. Eine krasse Missdeutung der angewandten Normen liege nicht vor. Die Entscheidung stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs, nach dem die Gesamtheit der zwischen dem jeweiligen Domain-Inhaber und der DENIC bestehenden schuldrechtlichen Ansprüche aus dem Domain-Vertrag (Anspruchsbündel) ein pfändbares Vermögensrecht i.S.d. § 857 Abs. 1 ZPO bzw. § 321 Abs. 1 AO sein kann. Diese Rechtsprechung übergehe die DENIC, indem sie versuche, statt der Gesamtheit der gepfändeten Ansprüche einzelne Ansprüche – namentlich einen solchen auf Löschung einer Domain und einen weiteren auf Übertragung der Domain – jeweils für sich im Hinblick auf eine mögliche Pfändbarkeit und/oder wirtschaftlich sinnvolle Verwertbarkeit hin zu untersuchen. Auch gegen die ausführlich begründete Annahme, die DENIC sei Drittschuldnerin, sei vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs (BGH, Urteil vom 11.10.2018 – Az. VII ZR 288/17; BFH, Urteil vom 20.06.2017 – Az. VII R 27/15) verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. Einstimmig sei man daher zu dem Ergebnis gekommen, die Verfassungsbeschwerde zurückzuweisen, so die Richter am Verfassungsgerichtshof.

Der Verfassungsgerichtshof des Freistaats Sachsen hat mit dieser Entscheidung bestätigt, dass die DENIC bei Domain-Pfändungen als Drittschuldnerin in Anspruch genommen werden kann. Der Gläubiger kann dabei nach seiner Wahl die Domain selbst nutzen oder auf einen Dritten übertragen und so wirtschaftlich sinnvoll verwerten.

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