Domain-Pfändung

BFH sieht DENIC als Drittschuldner bei Pfändung

Der Bundesfinanzhof (BFH) durfte darüber entscheiden, ob die DENIC eG, Verwalterin der deutschen Endung .de, in Pfändungssachen als Drittschuldner zur Erklärung verpflichtet ist. Dabei unterstreicht das Gericht zugleich, was eine Domain als Pfandobjekt auszeichnet und dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Pfändungen einzuhalten ist.

Die DENIC eG klagte gegen eine Pfändungsverfügung eines Finanzamts, bei der sie als Drittschuldnerin zur Erklärung hinsichtlich einer Domain verpflichtet wurde. Die DENIC weigerte sich, die Erklärung zu erteilen, weil sie sich nicht als Drittschuldner sieht. Sie klagte gegen die Pfändungsverfügung. Das Finanzgericht Münster stellte fest, dass die DENIC gegenüber Domain-Inhabern aufgrund des Registrierungsvertrages eine Aufrechterhaltung der Eintragung im Nameserver als Voraussetzung für den Fortbestand der Konnektierung sowie weitere Ansprüche schulde (Urteil vom 16.09.2015, Az.: 7 K 781/14 AO). Daraus ergebe sich zugleich, dass die Klägerin als Drittschuldner nach § 316 Abgabenordnung (AO) anzusehen sei. Der weit auszulegende Drittschuldnerbegriff erfasse jeden, dessen Rechtsstellung von der Pfändung berührt werde. Gegen diese Entscheidung ging die DENIC in Revision zum Bundesfinanzhof. Dort vertrat sie weiter ihren Standpunkt, sie sei nicht Drittschuldner: Das Deutsche Patent- und Markenamt sei bei einer Markenpfändung auch nicht als Drittschuldner zu qualifizieren. Für die Geltendmachung der gepfändeten Ansprüche aus dem Domain-Vertrag sei keine Leistung ihrerseits erforderlich. Zudem sei ihre Rechtsstellung durch die Pfändung nicht „sonstwie“ berührt. Die Pfändung und die Verstrickung der gepfändeten Forderung seien für ihre Rechtsstellung ohne Bedeutung. Selbst wenn sie als Drittschuldner angesehen werden könnte, sei ihre Einbeziehung in das Vollstreckungsverfahren weder erforderlich noch sinnvoll, denn sie könne die gepfändeten Ansprüche nicht durch Erfüllung zum Erlöschen bringen. Die Anordnung des Vollstreckungsorgans (Arrestatorium), nicht mehr an den Schuldner zu leisten, führe zu einer zwangsweisen Dekonnektierung der Domain. Die einzige Frage, die DENIC beantworten könne, sei die Frage, ob die gepfändeten domain-vertraglichen Ansprüche anderweitig gepfändet seien. Aus dieser Möglichkeit könne jedoch eine Drittschuldnerschaft nicht abgeleitet werden. Schließlich meinte DENIC, die Anordnung des Vollstreckungsorgans verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot. Im Rahmen des Streits bestätigte DENIC mit Schriftsatz vom 08. Juni 2016, dass sie die streitgegenständliche Domain bereits im März 2014 gelöscht habe, da der Domain-Inhaber eine falsche Adresse angegeben und sie deshalb den Vertrag fristlos gekündigt habe. Das Finanzamt wies in der Revision auf die Löschung der streitgegenständlichen Internet-Domain hin und bat lediglich um Hinweise zum weiteren Fortgang des Rechtsstreits.

Der Bundesfinanzhof hob das Urteil des Finanzgerichts Münster auf, da die Revision begründet war (Urteil vom 20.6.2017, Az.: VII R 27/15). Der BFH stellte unter anderem aber fest, dass der Klägerin als Registrierungsstelle die Stellung als Drittschuldner zukommt. Zudem wies der BFH die Sache an das Finanzgericht Münster zurück, weil dieses keine Feststellungen zum Wert der gepfändeten Ansprüche getroffen hat, weshalb unklar blieb, ob damit eine Pfändung überhaupt zu einer teilweisen Befriedigung führe und erlaubt sei. In der Sache stellte der BFH zunächst fest, dass sich der Streit nicht aufgrund des Umstands erledigt hat, dass der Domain-Vertrag mit dem bisherigen Domain-Inhaber bereits 2014 gekündigt und die Domain gelöscht wurde. Die als Drittschuldner zu erteilende Auskunftspflicht bestehe unabhängig davon, ob die Forderung beziehungsweise andere Vermögensrechte tatsächlich bestehen. Weiter machte er klar, dass eine Internet-Domain an sich zwar kein absolutes pfändbares Recht ist, aber die Gesamtheit der zwischen dem Inhaber der Internet-Domain und der jeweiligen Vergabestelle bestehenden schuldrechtlichen Ansprüche als Vermögensrecht Gegenstand einer Pfändung sein könne. Die dem Inhaber der Domain aus dem Registrierungsvertrag zustehenden Ansprüche liessen sich verwerten, beispielsweise durch Überweisung an Zahlung statt zu einem Schätzwert, durch öffentliche Versteigerung oder durch freihändige Veräußerung. Der BFH gab dem Finanzgericht Recht, dass DENIC Drittschuldner sei und damit als auskunftspflichtig anzusehen ist. Es reiche für die Eigenschaft einer Person als Drittschuldner aus, dass deren Rechtsstellung von der Pfändung betroffen oder dass ihre Leistung zur Ausübung eines gepfändeten Rechts erforderlich ist. Die Pfändung der dem Domain-Inhaber nach dem Registrierungsvertrag zustehenden Recht greife unmittelbar in das bestehende Vertragsverhältnis zwischen diesem und der Verwaltungsstelle ein und betreffe somit die Rechtsstellung der Klägerin. DENIC sei zudem die Auskunftsquelle dafür, ob Ansprüche aus dem Registrierungsvertrag bereits für andere Gläubiger gepfändet worden sind, denn darüber gäbe die Abfrage des WHOIS keine Auskunft. Die Pfändungsverfügung halte auch das Bestimmtheitsgebot ein, da das Finanzamt ein modifiziertes Leistungsverbot ausgesprochen habe, bei dem klar war, dass die Leistungen der Klägerin aufrecht erhalten werden sollten. Eine Dekonnektierung der Domain wurde ausdrücklich ausgenommen. Die Mitwirkung an einer Übertragung oder Löschung der Domain wurde der Klägerin untersagt.

Für den BFH war allerdings unklar, ob die Verwertung der pfändbaren Gegenstände einen Überschuss über die Kosten der Vollstreckung erwarten lässt oder nicht. Hier hätte eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen müssen, die dem BFH allerdings nicht möglich war, da das Finanzamt keine klaren Angaben dazu gemacht hatte, ob die Verwertung der Internet-Domain zu einer auch nur teilweisen Befriedigung der Forderung des Finanzamts hätte führen können. Würde die Verwertung der Domain mehr Aufwand und Kosten mit sich bringen als sie einbringt, wäre die Pfändung zwecklos und damit verboten. Aus diesem Grunde verwies der BFH die Sache an das Finanzgericht zurück, damit dieses die noch notwendigen Feststellungen nachholen könne. Das Finanzgericht Münster muss nun darüber entscheiden, ob sich die Pfändung unter den besonderen Umständen des Streitfalls und dem Gesichtspunkt des Verbots der nutzlosen Pfändung als unzulässig erweist oder nicht.

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