Die Domain-Industrie ist in Aufruhr, Domainer fürchten um ihr Renommee: Anfang November 2009 teilte SnapNames mit, dass ein ehemaliger Mitarbeiter, der seit der Übernahme durch Oversee für letztere arbeitet, über die Jahre bei Domain-Auktionen von SnapNames mitgeboten hat, um die Preise nach oben zu drücken.
SnapNames setzte seine Kunden am 4. November per eMail von gewissen Unregelmäßigkeiten bei Auktionen in Kenntnis; ein Mitarbeiter habe unter falschem Namen bei Auktionen mitgeboten. Das sei ein klarer Verstoß gegen interne Regeln. Die Auswirkungen erstrecken sich nach Angaben von SnapNames auf fünf Prozent aller SnapNames-Auktionen seit 2005 und haben zu einem Mehrgewinn von einem Prozent bei SnapNames geführt. SnapNames hat nach Kenntniserlangung den Bieteraccount sofort geschlossen und ist daran, die Sache aufzuklären. Klar ist, der Mitarbeiter habe zwar einige Domains ersteigert, aber vorrangig bewirkten seine Gebote, dass andere mehr für ihre ersteigerten Domains zahlen mussten.
Wie sich herausstellte, bot Nelson Brady unter dem Namen Halvarez wohl seit 2004 bei rund 50.000 Auktionen auf der Domain-Auktionsplattform SnapNames mit. Brady war bei SnapNames VP of Engineering, und kennt das Backend des Auktionssystems von SnapNames wahrscheinlich besser als jeder andere. Darüber hinaus war er Shareholder und dürfte beim Verkauf von SnapNames an Oversee für US$ 25 Mio. ordentlich mitverdient haben. Ob seine Anreißeraktionen während der Auktionen im Alleingang erfolgten, ist unklar. Nach Angaben von Oversee und SnapNames wusste man nichts von den Vorgängen; allerdings hatten sich einige Nutzer bereits seit Jahren im Forum von SnapNames über Halvarez beschwert. Kritiker vermuten aber, dass es einer einzelnen Person nicht möglich sei, in fünf Jahren 50.000 Auktionen zu beeinflussen. Man würde täglich rund 27 Auktionen beobachten müssen, jeden Tag, auch am Wochenende. Nelson Brady selbst äußert sich nicht mehr über die Angelegenheit; auch sein Anwalt schweigt. Gegenüber Andrew Allemann hatte Brady sich kurz nach Bekanntwerden der Vorfälle dahin geäußert, er habe das alleine gemacht, aber da sei noch mehr ?
SnapNames bietet seinen Kunden eine Rückvergütung an, die anlässlich von Auktionen erfolgte Mehrzahlungen kompensieren soll. Betroffene erhielten von SnapNames Einblick in alle ihre erfolgreichen Auktionen, in denen sie gegen den Mitarbeiter geboten haben; zunächst war der Rückblick lediglich bis 2006 möglich, doch wenige Tage später eröffnete SnapNames den Blick bis ins Jahr 2004 zurück. Das Angebot der Rückvergütung ist freilich nicht ohne: in einem Formular kann man die Rückvergütung beantragen, zugleich entledigt man sich mit Unterzeichnung und Übersendung des Formulars aller etwaigen weiteren bestehenden Ansprüche gegenüber SnapNames. Rechtsanwalt und Domainer Howard Neu, der einer der Gründer der T.R.A.F.F.I.C.-Konferenzen ist, hat im Blog seines Partners Rick Schwartz die einzelnen Formulierungen der Erklärung aus dem juristischen ins Normalenglische übersetzt. Weder er noch Rick Schwartz empfehlen, sich im Moment darauf einzulassen, zumal das Angebot von SnapNames bis 6. November 2010 steht. Solange unklar ist, ob hier nur ein Bauernopfer ausgespielt und vielleicht der eigentliche Skandal zurückgehalten wird, erscheint es für die Betroffenen sinnvoll, mit der Abgabe der Erklärung noch zu warten.
Nicht mehr warten konnte Carlos A. Cueto aus Miami, der am 09. November 2009 über die Anwaltskanzlei seines Bruders Santiago A. Cueto (Cueto Law Group, P.L.) vor dem Miami-Dade County Circuit Court eine Sammelklage gegen SnapNames hat einreichen lassen. Cueto handelt auch mit Domains und ist selbst Betroffener der Vorgänge bei SnapNames.