Der Kaufpreis ist enthüllt: für US$ 1,135 Mrd., umgerechnet also knapp EUR 1,026 Mrd., hat der Finanzinvestor Ethos Capital die Gesellschaftsanteile an der Public Interest Registry (PIR) und damit die Rechte an .org erworben. Derweil schlägt die Welle der Empörung um den Verkauf immer höher.
Bestätigt wurde der Kaufpreis, zu dem Ethos Capital die Rechte an .org von der gemeinnützigen Internet Society (ISOC) übernommen hat, bei einem Webinar. Hauptgrund für den Verkauf soll gewesen sein, dass die ISOC nicht mehr allein von einem einzigen Geschäftszweig (der Domain Name Industry) abhängig sein wollte und sich nun im Interesse der eigenen Vision »the Internet is for everyone« diversifizieren könne. Das unterstrich auch Gonzalo Camarillo, der Vorsitzende des Internet Society Board of Trustees. In einer offiziellen Stellungnahme erklärte er:
we continue to believe that this deal will help protect ISOC’s future and ensure its long-term stability and growth.
Zudem betonte Camarillo, dass Ethos Capital andere Möglichkeiten habe, um in die Registry und die Dienstleistungen rund um eine .org-Domain zu investieren, als es bei der gemeinnützigen ISOC noch der Fall war.
Für Ethos Capital könnte sich der Kauf aber als Schnäppchen erweisen. Pro .org-Domain nimmt man US$ 9,93 jährlich ein, bei knapp 10,1 Mio. Domains also insgesamt rund US$ 100 Mio. jährlich. Sollten die Gebühren um zehn Prozent jährlich erhöht werden, lägen die Einnahmen 2029 bei US$ 25,75 jährlich pro .org-Domain. Bliebe die Zahl der registrierten Domain-Namen in etwa gleich, wären das Einnahmen von US$ 257,5 Mio. jährlich – bei geschätzten Kosten von nur US$ 25 Mio. im Jahr. Damit blieben US$ 235 Mio. im Jahr in der Kasse, so dass der Kaufpreis rasch abbezahlt wäre. Mehrere namentlich nicht genannte Unternehmen sollen signalisiert haben, bei einer Ausschreibung oder Auktion mehr zu bezahlen. Nachträgliche Hoffnungen sollten sie sich nicht machen; Erik Brooks, Gründer von Ethos Capital, betonte, dass man PIR »many, many, many, many years« behalten wollte. Das wiederum bezweifelt ISOC-Gründer Vint Cerf, mittlerweile Chief Internet Evangelist bei Google. In einer internen ISOC-Mailing-Liste beschwörte er sogar das Ende der Domain Name Industry:
The domain name business started in 1992. There is not assurance that it will go one indefinitely – something new will likely come along.
Unterdessen kritisiert eine steigende Anzahl von namhaften Persönlichkeiten den Führungswechsel bei PIR und .org.
I’m very concerned about the sale of .org to a private company. If the Public Interest Registry ends up not being required to act in the public interest, it would be a travesty.
so Tim Berners-Lee, der Begründer des World Wide Web. Vor allem mit Kritik an ICANN wird nicht gespart. ICANN-Gründungsmitglied Esther Dyson twitterte:
As founding chairman of #ICANN, I’m appalled … This is not what we were working for.
Wer jedoch darauf setzt, dass ICANN den Verkauf noch blockiert, wird enttäuscht. In einer Stellungnahme gegenüber der Financial Times wird die Internet-Verwaltung mit den Worten zitiert, sie »does not have authority over the proposed acquisition«. Etwas anderes würde allenfalls gelten, wenn die Stabilität und Sicherheit des Domain Name Systems in Gefahr wäre; dafür gibt es aber keinerlei Anzeichen.