Zu den spannendsten Fragen der Einführung von .eu (dotEU) zählt die Frage, welche Rechte als „prior right“ angesehen werden und damit zur Teilnahme an der Sunrise Period berechtigen. Mit dem Annex I zu den Sunrise Rules hat EURid den Nebel gelichtet und erstmals eine Liste mit den „früheren Rechten“ veröffentlicht. Ganz klar ist die Sicht aber noch nicht.
Für jedes Mitgliedsland der EU führt der Annex beispielhaft und nicht abschließend auf, welche Rechte als prior right im Sinne der Sunrise Rules angesehen werden. Ergänzt wird diese Liste um den Hinweis, in welcher Phase der Sunrise Period das Recht zum Zug kommt, und anhand welcher Unterlagen und Dokumente es beim Validation Agent nachgewiesen werden muss. Derzeit ist die Liste lediglich in englischer Sprache veröffentlicht, an der Übersetzung wird noch gearbeitet. Da sich hier ganz leicht Übersetzungsfehler einschleichen können, sind nachstehende Angaben als unverbindlich zu verstehen.
Für Deutschland ergibt sich folgendes Bild: als früheres Recht sind geschützt
__eingetragene nationale Wortmarken oder Wort-/Bildmarken, wobei sich bei letzteren die Anmeldung auf den dominierenden, unterscheidungskräftigen Wortbestandteil beschränkt;Ausreichend ist, wenn das „frühere Recht“ am Tag des Eingangs der Anmeldung bei EURid Wirksamkeit erlangt hat. Für andere „frühere Rechte“ enthalten die Sunrise Rules eine enge Auffangregelung; ihr Bestehen muss im Zweifel von Gerichten, Behörden oder juristisch geschulten Personen schriftlich bestätigt werden. Mit Ausnahme der eingetragenen Marken sowie der geographischen Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen, welche bereits ab Phase 1 der Sunrise Period ab dem 7. Dezember 2005 angemeldet werden können, kommen alle übrigen Rechte erst in Phase II ab dem 7. Februar 2006 zum Zug.__eingetragene Gemeinschaftsmarken aus einem der 25 EU-Mitgliedsländer;
__eingetragene IR-Marken mit Gültigkeit in mindestens einem der 25 EU-Mitgliedsstaaten;
__Geographische Herkunftsangaben oder Ursprungsbezeichnungen;
__Unternehmenskennzeichen wie Handelsnamen, Geschäftsbezeichnungen, Unternehmensnamen, welche im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden;
__nicht eingetragene Marken, geschützt etwa durch notorische Bekanntheit der Marke im Sinne des Artikels 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums und
__Werktitel (Namen oder besondere Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken)
Die zum Nachweis des Rechts vorzulegenden Dokumente unterscheiden sich nach der Art des Rechts. Bei Marken erfolgt der Nachweis zum Beispiel durch eine Kopie der Markenurkunde, bei Unternehmenskennzeichen etwa durch einen Auszug aus dem Handelsregister oder von Werbematerialien, Briefköpfen und dergleichen. Nach Eingang des Antrags und Erhalt einer Bestätigungs-Mail hat man 40 Tage Zeit, das behauptete Recht anhand solcher Unterlagen beim Validation Agent PricewaterhouseCoopers (PwC) zu belegen. Da der Validation Agent zur Nachfrage nicht verpflichtet ist, lohnt es sich, diese Dokumente schon jetzt sorgfältig vorzubereiten.
Irritierenderweise findet man Familiennamen nicht im Annex I der Sunrise Rules. In Artikel 10 Abs. I der EU-Verordnung vom 28. April 2004 sind sie freilich als „prior rights“ festgeschrieben. Und Familiennamen sind nicht nur im Deutschen Rechtssystem (aufgrund § 12 BGB), sondern auch in anderen Rechtsordnungen der EU-Mitgliedsländer ein geschütztes Recht.
Das EURid Team ist der Ansicht, nur weil der Missbrauch eines Namens verboten und der Name negativ geschützt ist, ergäbe sich kein positiver Schutz des Namens.
Das MarkenG gibt ja aber auch nur Schutzrechte für den Fall des Missbrauchs, bzw. der Beeinträchtigung. So ist es konzipiert. Das gilt insbesondere für Geschäftsbezeichnungen, die nicht als Marke angemeldet werden, sondern durch ihre Nutzung den Schutz der §§ 5, 15 MarkenG erlangen.
Da die Situation zu den Familiennamen unklar ist, wird der Validation Agent PwC in kürze ein Statement abgeben, das dann auf der Seite von EURid veröffentlicht wird.