Nachdem Google im Hinblick auf das „Recht auf Vergessenwerden“ unter Druck gerät (siehe Artikel weiter oben), musste es auch eine Haftungsschlappe vor dem OLG München einstecken. Das Gericht kam in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zu dem Ergebnis, dass Google sowohl für rechtswidrige Inhalte in Suchergebnissen als auch die Verlinkung rechtswidriger Inhalte haftet.
Die Antragstellerin, ein Immobilienfond-Anbieter, sieht sich in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt, da sie bei einer Suche nach einem bestimmten Suchbegriff in die Suchmaske der Antragsgegnerin im Suchergebnis mit dem Snippet »… unter Betrugsverdacht, Staatsanwaltschaft ermittelt …«, »Das Geschäftsmodell von … sieht vor, dass …« gelistet wird. Dieser Eintrag geht auf einen Weblog-Artikel zurück, der sich mit Ermittlungen wegen Kapitalanlagebetrugs gegen die Antragstellerin auseinandersetzt. Die Antragsgegnerin reagierte nicht auf den Hinweis der Antragstellerin auf die Rechtsverletzung, weshalb die Antragstellerin eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht München beantragte. Dieses erließ die einstweilige Verfügung nicht und wies auch die dagegen eingelegte Beschwerde zurück (Beschluss vom 04.03.2015, Az.: 25 O 3403/15 LG München I). Die Antragstellerin wandte sich nun per sofortiger Beschwerde an das Oberlandesgericht München.
Das OLG München hob den Beschluss des LG München I auf und erließ die einstweilige Verfügung (Beschluss vom 27.05.2015, Az.: 18 W 591/15). Der Antragstellerin steht ein Unterlassungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Artikel 2 Abs. 1 GG) zu, da der Inhalt des Suchergebnisses sowie die Verlinkung auf die angegriffene Äußerung in dem Weblog sie rechtswidrig in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt. Die Antragsgegnerin haftet dabei als Störer, da sie die ihr obliegenden Prüfpflichten verletzt hat. Nachdem das OLG München das LG München I zumindest bei der internationalen Zuständigkeit und der Wahl des anwendbaren Rechts bestätigt hatte, ging es in die Details. Zunächst vertritt das OLG München die Auffassung, dass die Antragstellerin ein Rechtsschutzbedürfnis hat, aufgrund dessen sie gegen Google vorgehen kann: gegen den Autor des streitgegenständlichen Blogbeitrags oder den Blogbetreiber muss sie nicht vorrangig vorgehen. Im weiteren handelt es sich bei dem Snippet im Suchergebnis und bei den Äußerungen im verlinkten Weblog-Artikel, die beide nicht aus vollständigen Sätzen bestehen, um Tatsachenbehauptungen und nicht lediglich Meinungsäußerungen. Nach Ansicht des Gerichts versteht sie der Durchschnittsleser so, dass die Staatsanwaltschaft wegen Betruges im Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell der Antragstellerin gegen diese bzw. deren Verantwortliche ermittle. Der Leser stelle sich konkret vor, dass Anleger oder Kunden der Antragstellerin durch diese konkret geschädigt worden seien. Diese Tatsachenbehauptungen sind unwahr, da gegen die Verantwortlichen der Antragstellerin nicht wegen Betruges (§ 263 StGB), sondern wegen Kapitalanlagebetruges (§ 264a StGB) ermittelt wird. Durch diesen Verständnisunterschied wird das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Antragstellerin verletzt. Das ergibt sich aus dem Unterschied zwischen den beiden Betrugsdelikten: bei Betrug (§ 263 StGB) handelt es sich um ein vollendetes Delikt, bei dem das Opfer einen Vermögensverlust hat, während Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) lediglich ein abstraktes Gefährdungsdelikt darstellt. Es ist ein Versuchsdelikt, das weit in den Vorbereitungsbereich hineinragt: Es ist weder die Täuschung eines Anlegers noch eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung noch der tatsächliche Eintritt eines Schadens nötig. Tathandlung ist die Verbreitung tatsächlicher Informationen durch schriftliche oder mündliche Äußerungen in Werbemitteln, die aufgrund des unrichtigen Inhalts geeignet sind, bei potenziellen Anlegern Fehlvorstellungen über die mit den Anlageobjekten verbundenen Risiken hervorzurufen. Bereits mit Zugänglichmachen der Werbemittel gegenüber einem größeren Personenkreis ist die Tat verwirklicht und gleichzeitig beendet. Von der Qualität her ist der Kapitalanlagebetrug etwas ganz anderes als der Betrug. Mithin wird die Antragstellerin durch den Snippet, in dem von Betrug die Rede ist, in ein schlechteres Licht gestellt. Dabei haftet die Antragsgegnerin einerseits für die Verbreitung des Snippets als auch für die Verlinkung mit dem Weblogartikel. Nach Ansicht des OLG München ist sie Störerin, da sie nach den Hinweisen der Antragstellerin nicht ihren Prüf- und Kontrollpflichten nachgekommen ist, und nicht die ihr möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, weitere Rechtsverletzungen zu verhindern. Das Schutzinteresse der Antragstellerin wiegt in der Abwägung mehr, da an der Verbreitung der unwahren Tatsachenbehauptung kein berechtigtes Informationsinteresse besteht.
Diese gründlich begründete Entscheidung erweckt zumindest in einem Punkt Zweifel. Das Gericht geht beim Verstehen des Snippets vom verständigen Durchschnittsleser aus, der aufgrund der verkürzten Form des Inhalts den Eindruck gewinnt, es werde wegen Betruges gegen Verantwortliche der Antragstellerin ermittelt. Bei der Differenzierung von Betrug und Kapitalanlagebetrug geht sie allerdings nicht vom Durchschnittsleser aus, sondern von juristischer Sachkunde. Dass aber ein Kapitalanlagebetrug im Ohr und Auge des den Snippet lesenden verständigen Durchschnittsleser das viel schwerwiegendere (»Kapital«) Delikt gegenüber dem Betrug sein könnte, kommt nicht in Betracht. Doch das letzte Wort in diesem Streit ist sicher noch nicht gesprochen. Der Antragsgegnerin stehen noch Möglichkeiten, wie der Widerspruch, zu Gebote.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.