Das BVerfG entschied im Rahmen eines Beschlussverfahrens, dass im Internet verfügbare alte Presseberichte aus Pressearchiven einerseits das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht verletzen und andererseits keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen.
Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, ist Sohn des ehemaligen Oberbürgermeisters einer süddeutschen Großstadt in den 1970er und 80er Jahren. Er verklagte die Verlegerin eines Magazins vor dem Landgericht Hamburg, die 1978 einen Porträtbeitrag über den Bürgermeister veröffentlicht hatte, in dem auch dessen Frau und Kinder, darunter der Beschwerdeführer, Erwähnung finden. Bei der Suche nach dem Namen des Beschwerdeführers in einer Suchmaschine wird im Ergebnis das Magazin-Porträt auf ungefähr den Plätzen 40 bis 50 des Suchergebnisses angezeigt. Der Beschwerdeführer, der nicht öffentlich als Sohn mit dem ehemaligen Bürgermeister in Verbindung gebracht werden möchte, verklagte die Verlegerin vor dem Landgericht Hamburg darauf, es zu unterlassen, ihn namentlich als dessen Sohn zu nennen. Das LG Hamburg wies die Klage ab (Urteil vom 27. November 2015, Az.: 324 O 222/15). Es meinte, es könne offen bleiben, ob der Bericht ursprünglich zulässig gewesen sei. Das Interesse an der fortgesetzten Bereitstellung des Beitrags überwiege auch zum jetzigen Zeitpunkt. Wahre Tatsachenbehauptungen aus dem Bereich der Sozialsphäre, zu denen auch die Namensnennung gehöre, seien im Grundsatz hinzunehmen. Es sei nicht erkennbar, dass dem Beschwerdeführer aus einer Namensnennung und dem Wissen um seine Kindschaftsbeziehung zum Bürgermeister erhebliche Nachteile drohten. Zudem seien durchaus Fälle denkbar, in denen dieses Abstammungsverhältnis legitimer öffentlicher Erörterungsgegenstand sei. Der Beschwerdeführer legte Berufung gegen dieses Urteil ein. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg wies die Berufung zurück (Urteil vom 09. Mai 2017, Az.: 7 U 118/15): Zwar sei das öffentliche Informationsinteresse an den Familienverhältnissen heute nicht groß. Doch stehe dem ein geringes Eingriffsgewicht in die Persönlichkeit des Beschwerdeführers gegenüber, denn er habe keine erheblichen negativen Folgen dargetan. Das hOLG Hamburg ließ die Revision nicht zu. Der Beschwerdeführer legte daraufhin Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein. Er rügte eine Verletzung seiner informationellen Selbstbestimmung und seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie des Benachteiligungsverbots aufgrund der Abstammung nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG.
Das BVerfG wies die Beschwerde per Beschluss vom 25. Februar 2020 (Az.: 1 BvR 1282/17) als unbegründet zurück. Das BVerfG befand im Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, es sei der Schutzgehalt dieser Gewährleistung nicht berührt. Dieses Grundrecht schütze im Schwerpunkt vor den spezifischen Gefährdungen der von Betroffenen nicht mehr nachzuvollziehenden oder zu kontrollierenden Datensammlungen und -verknüpfungen. Es schütze nicht vor der Mitteilung personenbezogener Informationen im öffentlichen Kommunikationsprozess, welche durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt werden. Aber auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers sei nicht verletzt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze die freie Entfaltung der Persönlichkeit und biete dabei Schutz vor der personenbezogenen Berichterstattung und Verbreitung von Informationen, die geeignet sind, die Persönlichkeitsentfaltung erheblich zu beeinträchtigen. Es gewährleiste jedoch nicht das Recht, öffentlich so wahrgenommen zu werden, wie es den eigenen Wünschen entspricht. Die Gerichte hätten zunächst zutreffend erkannt, dass sie über das Bestehen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs im Wege einer grundrechtlich angeleiteten Abwägung unter Würdigung der konkreten Umstände des Falles zu entscheiden hatten. Bei dieser Abwägung seien sie zu Recht davon ausgegangen, dass die rechtliche Zulässigkeit des öffentlichen Vorhaltens eines Presseberichts ein fortbestehendes Interesse an seiner weiteren Verfügbarkeit zur Voraussetzung habe. Auch unter Berücksichtigung des langen Zeitablaufs seit der ursprünglichen Veröffentlichung des Berichts durften die Gerichte hierbei davon ausgehen, dass zutreffende Berichte über Umstände mit sozialem Bezug im Grundsatz hinzunehmen sind. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Gerichte in Anbetracht des langen Zeitablaufs seit der Erstveröffentlichung davon abgesehen hätten, die möglicherweise von schwer zu ermittelnden tatsächlichen Umständen abhängige ursprüngliche Zulässigkeit der Veröffentlichung abschließend zu klären. Hinsichtlich der fortdauernden Verfügbarkeit des Berichts bestehe weiterhin ein Informationswert des archivierten Artikels sowie ein allgemeines Interesse der Presse daran, ihre Archive möglichst vollständig und unverändert der Öffentlichkeit verfügbar zu halten. Dem Beschwerdeführer drohten aus der öffentlichen Kenntnis um sein Kindschaftsverhältnis zu dem Bürgermeister keine erheblichen negativen Folgen. Da der Bericht bei einer Internetsuche erst auf den Plätzen 40 bis 50 zu finden sei, entfalte er keine belastende Wirkung im Hinblick auf eine gesteigerte Breitenwirkung. Hier läge die Sache anders als beim Fall „Recht auf Vergessen I“, bei dem der beanstandete Pressebericht bei einer Namenssuche auf den ersten Plätzen zu finden war und den Suchenden sofort zu den problematischen Informationen führte.
Zuletzt stellte das BVerfG bezüglich des Benachteiligungsverbots noch fest, es begründe keinen verfassungsrechtlichen Mangel, wenn die Gerichte der Vorinstanzen sich nicht eingehend mit der Frage der Erschwerungen einer selbstbestimmten Persönlichkeitsentfaltung aufgrund der Kenntnis um die prominente Stellung seines Vaters auseinandergesetzt und der öffentlichen Bekanntheit des Beschwerdeführers keine höhere Bedeutung als den berechtigten Interessen der Presse und Allgemeinheit zugemessen hätten. Dieser Gesichtspunkt sei möglicherweise für die Entwicklung von Kindern prominenter Personen relevant, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleiste jedoch keine einseitig durch die Betroffenen bestimmte Selbstdefinition.
Das BVerfG sah von einer weiteren Begründung ihrer Entscheidung ab und erklärte sie für unanfechtbar.
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