BGH

Portalbetreiber haftet für von ihm bearbeitete rechtsverletzende Nutzerinhalte

Der Bundesgerichtshof überprüfte in einem Revisionsverfahren die Entscheidung des OLG Frankfurt/M zur Frage der Haftung eines Bewertungsportalbetreibers, soweit er die vom Betroffenen kritisierte Äußerung eines Portalnutzers selbst redaktionell verändert.

Der laut Impressum in Malibu ansässige Beklagte betreibt das Bewertungsportal klinikbewertungen.de. Die Klägerin ist eine Klinik, deren Patient unter klinikbewertungen.de eine Bewertung der Klägerin vorgenommen hatte. Die Klägerin wandte sich an den Beklagten und forderte diesen zur Entfernung des Beitrags auf. Der Beklagte nahm daraufhin ohne Rücksprache mit dem Patienten Änderungen an dessen Eintrag vor. Die Klägerin sieht durch die Bewertung ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt; der Beklagte habe sich die Äußerungen des Patienten, indem er sie korrigierte, zu Eigen gemacht. Sie verlangte vom Beklagten, es zu unterlassen, folgende Behauptungen wörtlich oder sinngemäß aufzustellen und/oder zu verbreiten:

a) »Kontra: auf Notfälle nicht vorbereitet.«
b) »Bei einem Standardeingriff kam es wegen meiner besonderen Konstitution zu einer septischen Komplikation, die zu einem Multiorganversagen und einer mehrmonatigen Erblindung führte.«
c) »Das Klinikpersonal war mit der lebensbedrohlichen Notfallsituation überfordert. Dies hat beinahe zu meinem Tod geführt.«

Diese Ausführungen beinhalten unwahre Tatsachen. Beim Leser der Äußerungen entstehe der Eindruck, die septischen Komplikationen seien während des operativen Eingriffs eingetreten; tatsächlich seien sie erst 36 Stunden nach der Operation aufgetreten. Der Beklagte hielt entgegen, er habe sich die Inhalte nicht zu Eigen gemacht, denn beim Leser entstehe nicht der Eindruck, dass der Betreiber des Forums eigene Inhalte präsentiere. Mit der Korrektur der Äußerungen des Patienten habe er das mildeste Mittel gewählt, um einen Ausgleich zwischen dem Meinungsäußerungsrecht des Patienten und den Rechten der Klägerin herzustellen. Vor dem Landgericht in Frankfurt am Main war die Klägerin erfolgreich (Urteil vom 24.09.2015, Az.: 3 O 64/15). Der Beklagte legte gegen die Entscheidung Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein, das die Berufung zurückwies (Urteil vom 03.03.2016, Az.: 16 U 214/15). Schließlich ging der Beklagte in Revision zum Bundesgerichtshof.

Der Bundesgerichtshof wies die Revision des Beklagten zurück, da die Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzten und der Beklagte sich diese zu Eigen gemacht hat (Urteil vom 04.04.2017, Az.: VI ZR 123/16). Der Beklagte ist hier als Portalbetreiber unmittelbarer Störer, da es sich bei den Äußerungen um eigene Informationen handelt. Diese habe zwar ein anderer eingestellt, doch der Beklagte habe sie sich zu Eigen gemacht. Die Zu-Eigen-Machung erfolgte nicht schon dadurch, dass der Beklagte sich nicht durch einen Disclaimer vom Inhalt der eingestellten Bewertungen distanziert, sondern indem er die Äußerungen einer inhaltlich-redaktionellen Überprüfung unterzog. Damit hatte er die Rolle eines neutralen Vermittlers verlasst und eine aktive Rolle übernommen. Der Umstand, dass Leser dies nicht erkennen können, greife nicht zu Gunsten des Beklagten. Es reiche aus, dass er der Klägerin mitgeteilt hat, Veränderungen vorgenommen zu haben.

Die Äußerungen sind rechtswidrig. Lediglich die Äußerung in b), wonach es bei einem Standardeingriff zu einer septischen Komplikationen kam, schätzt der BGH als eine Tatsachenbehauptung ein. Der Begriff »bei« bringt eine Gleichzeitigkeit des Geschehens zum Ausdruck. Aufgrund dessen ist die Äußerung unter b) so zu verstehen, dass die Komplikation während der Operation oder zumindest in engem zeitlichen Zusammenhang mit dieser eingetreten ist. Das trifft nicht zu, die Komplikation trat erst 36 Stunden später und nach Verlegung des Patienten in ein anderes Krankenhaus auf. Damit ist die vom Beklagten korrigierte Aussage unwahr und war dies bereits zum Zeitpunkt, als der Patient sie in das Bewertungsportal eintrug. Daran änderte auch nichts, dass dies dem Beklagten nicht bewußt gewesen sein mag. Seine Ungewissheit hätte er aufklären können, indem er den Patienten fragt, ehe er die Äußerung für richtig befand und sich zu Eigen machte. Allein dieser Umstand lässt die Schutzinteressen auf freie Meinungsäußerung des Patienten hinter denen der Klägerin zurücktreten. Die beiden anderen Äußerungen a) und c) sind nach Ansicht des BGH zwar nur Meinungsäußerungen, sie basieren jedoch auf der unwahren Äußerung b), weshalb sie ihrerseits unzulässig sind. Schließlich ging der BGH, wie auch das OLG Frankfurt, von einer noch immer bestehenden Wiederholungsgefahr aus, so dass alle Voraussetzungen für den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch vorlagen.

Der Bundesgerichtshof findet in diesem Verfahren eine neue Situation bei der Verantwortlichkeit von Bewertungsportalbetreibern und eine angemessene Lösung: Ein Bewertungsportalbetreiber macht sich eine Äußerung eines Nutzers zu Eigen, wenn er sie inhaltlich-redaktionell überprüft. Dieses Zu-Eigen-Machen muss aber auch nach außen sichtbar werden. Das wird es, wenn der Betreiber die inhaltlich-redaktionelle Überprüfung dem von der Kritik Betroffenen kundtut.

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