Bundesgerichtshof

In zwei BGH-Verfahren zum Recht auf Vergessenwerden regten die Anwälte die Vorlage vor den EuGH an

Im Streit um ein Auslistungsbegehren gegen den Suchmaschinenbetreiber Google könnte sich der EuGH schon in Kürze erneut mit dem »Recht auf Vergessenwerden« befassen. Das zeigen zwei aktuelle Rechtsstreitigkeiten vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

Mit Urteil vom 13. Mai 2014 hatte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden, dass der Betreiber einer Suchmaschine bei personenbezogenen Daten, die auf von Dritten veröffentlichten Internetseiten erscheinen, für die von ihm vorgenommene Verarbeitung verantwortlich ist. Konkret stellte das Gericht fest, dass Google unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen über die Person zu entfernen hat. Google hat inzwischen auf diese Entscheidung reagiert und einen Online-Antrag auf Entfernen von Suchergebnissen nach europäischem Datenschutzrecht zur Verfügung gestellt. Dabei muss der Antragsteller die konkrete Adresse (URL) der Internetseite angeben, auf die das jeweilige Suchergebnis verlinkt. Google verspricht, die Datenschutzrechte des jeweiligen Antragstellers als Einzelperson gegen das öffentliche Interesse an den Informationen und das Recht auf Informationsfreiheit abzuwägen, und gegebenenfalls den Link aus seinem Suchindex zu entfernen.

Vor dem BGH sind nun zwei Fälle aus Frankfurt/Main und Köln gelandet, in denen die Kläger dieses Auslistungsbegehren bei Google gestellt haben, aber erfoglos blieben. In einem Fall klagt der Geschäftsführer einer Wohlfahrtsorganisation. Im Jahr 2011 wies sein Regionalverband ein Defizit von knapp EUR 1,0 Mio. auf; kurz zuvor meldete sich der Kläger krank. Über beides berichtete die regionale Tagespresse unter Nennung des vollen Namens des Klägers. Er wollte von Google erreichen, es zu unterlassen, diese Presseartikel bei einer Suche nach seinem Namen in der Ergebnisliste nachzuweisen. Die Klage blieb erfolglos, sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht verneinten einen Anspruch aus Art. 17 DSGVO (»Recht auf Vergessenwerden«). Die insoweit notwendige Grundrechtsabwägung führe im Ergebnis zur Rechtmässigkeit der Datenverarbeitung. In dem anderen Fall ist der Kläger für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleistungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. Er klagt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin; sie war Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Ein US-Unternehmen hatte 2015 in kritischer Weise über das Anlagemodell einzelner dieser Gesellschaften berichtet und mit Fotos der Kläger bebildert. Die Kläger begehren von Google, es zu unterlassen, diese Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste nachzuweisen und die Fotos von ihnen als »thumbnails« anzuzeigen. Auch diese Klage blieb in zwei Instanzen erfolglos, da die Kläger keine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung dargelegt hätten. So liegt es nun am BGH, die Fälle in der Revision zu entscheiden.

Im Verhandlungstermin vom 16. Juni 2020 hob das Gericht hervor, dass das Recht auf Schutz personenbezogener Daten nicht absolut wirke, sondern gegen andere Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung oder Informationsfreiheit abgewogen werden müsse. Eine Rolle könne aber der Faktor Zeit spielen. Die Anwälte regten ihrerseits an, die Sache dem EuGH vorzulegen, da derartige Auslistungsbegehren im Lichte der seit 2018 zur Anwendung kommenden DSGVO höchstrichterlich ungeklärt seien. Diese Möglichkeit ließ sich der BGH offen; eine Entscheidung wird erst in den nächsten Wochen ergehen.

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