Vorratsdatenspeicherung

Die EU arbeitet an einer gesamteuropäischen Regelung

Die EU-Kommission beabsichtigt, die Frage der Speicherpflicht von IP-Adressen europaweit einheitlich zu regeln. Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten sollen vorerst im Rahmen einer Folgenabschätzung aufgeklärt werden.

Um Straftaten bekämpfen und verfolgen zu können, benötigen Polizei- und Justizbehörden nach Einschätzung der EU-Kommission mehr denn je den Zugang zu bestimmten Nichtinhaltsdaten, die von Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste verarbeitet werden. Wenn Anbieter nicht ausdrücklich verpflichtet seien, diese Daten für einen angemessenen und begrenzten Zeitraum aufzubewahren, könne es vorkommen, dass die Daten bereits gelöscht sind, wenn Behörden sie für Strafverfahren anfordern. Derzeit gäbe es aber keinen EU-weiten Rechtsrahmen in diesem Bereich, und auch vom EuGH kommen missverständliche Signale. Mit Urteil vom 20. September 2022 hatte der EuGH seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung unvereinbar mit EU-Recht sind, da das Unionsrecht einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten wie zum Beispiel IP-Adressen entgegensteht. Diese Rechtsprechung hat der EuGH in Sachen »La Quadrature du Net« wegen französischer Regelungen zum Schutz von geistigem Eigentum im Internet nach eigenen Angaben präzisiert, im Ergebnis aber gelockert. Mit Urteil vom 30. April 2024 (Az. C‑470/21) entschied der EuGH, dass die allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von IP-Adressen nicht zwangsläufig einen schweren Eingriff in die Grundrechte darstellt. Danach ist die Vorratsdatenspeicherung zulässig, wenn die nationale Regelung Speichermodalitäten vorschreibt, die eine wirksame strikte Trennung der verschiedenen Kategorien personenbezogener Daten gewährleistet und es damit ausschließt, dass genaue Schlüsse auf das Privatleben der betreffenden Person gezogen werden können. Prompt herrscht wieder rege Diskussion, ob und in welchem Umfang eine Vorratsdatenspeicherung zulässig ist.

Um diese Diskussion zu beenden und die Rechtslage europaeinheitlich zu harmonisieren, hat die EU-Kommission eine Folgenabschätzung zur Vorratsdatenspeicherung durch Diensteanbieter für Strafverfahren angestoßen. Die Sachverständigen der »High-Level Group (HLG) on access to data for effective law enforcement« hätten die Annahme eines EU-Rahmens für die Vorratsdatenspeicherung zu Strafverfolgungszwecken empfohlen, in dem auch Zugangsgarantien verankert werden. Würden keine Maßnahmen auf EU-Ebene ergriffen, müssten die Mitgliedstaaten ihre nationalen Rechtsvorschriften weiter aktualisieren, um die Anforderungen aus der Rechtsprechung umzusetzen. Zudem müssten sie auf neue und aufkommende Technologien reagieren, was die Gefahr berge, dass die Vorschriften immer weiter auseinander gehen. Auf welcher Rechtsgrundlage all das geschehen soll, ist offen. In der öffentlichen Aufforderung heißt es:

Die Rechtsgrundlage ist festzulegen und hängt vom Ergebnis der Folgenabschätzung ab.

Klar ist aber, dass man sowohl gesellschaftliche als auch wirtschaftliche Auswirkungen sowie Auswirkungen auf die Grundrechte erwarten muss. Die gespeicherten Daten könnten insbesondere den Behörden Informationen über das Privatleben von Personen liefern und damit in die Grundrechte zum Schutz ihres Privatlebens (Artikel 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union), ihrer personenbezogenen Daten (Artikel 8) und ihrer Meinungsfreiheit (Artikel 11) eingreifen. Weitere gerichtliche Auseinandersetzungen scheinen damit vorgezeichnet.

Die Kommission plant vorerst mehrere Konsultationsmaßnahmen zur Unterstützung ihrer Initiative. Dies diene der Sammlung von Erkenntnissen und Sichtweisen eines breiten Spektrums von
Interessenträgern. Die erste Phase läuft bis 18. Juni 2025 und steht jedermann zur Teilnahme offen; die Zahl der bisher eingegangenen Kommentare ist bereits weit in den vierstelligen Bereich gestiegen. Konkrete Ergebnisse sind frühestens im 1. Quartal 2026 zu erwarten.

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