Datenschutz

Die BRAK kritisiert in einer Stellungnahme die Gesetzesentwürfe zur Vorratsdatenspeicherung

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat sich in die Diskussion um die Speicherpflicht von IP-Adressen eingeschaltet. In ihrer Stellungnahme zeigt sich die Kammer bei der angekündigten Speicherung und dem Abruf von Vorratsdaten zur Bekämpfung schwerer Kriminalität skeptisch.

In ihrer 16-seitigen Stellungnahme beschäftigt sich die Dachorganisation der 28 Rechtsanwaltskammern unter Berichterstatter Thomas C. Knierim mit dem Referentenentwurf eines »Gesetzes zur Einführung einer Sicherungsanordnung für Verkehrsdaten in der Strafprozessordnung« des Bundesministeriums der Justiz vom 24. Oktober 2024 (»Quick-Freeze-Modell«) und dem Entwurf eines Gesetzes des Bundesrats zur Einführung einer Mindestspeicherung von IP-Adressen für die Bekämpfung schwerer Kriminalität (Bundestags-Drucksache 20/13748) vom 13. November 2024. Beide Entwürfe schneiden in der Bewertung der Kammer negativ ab. Das Quick-Freeze-Modell, das noch vom damaligen FDP-Justizminister Marco Buschmann vor dem Ampel-Aus vorgelegt wurde, schaffe zwar nur einen kurzzeitigen, anlassabhängigen Eingriff für Strafverfolgungsorgane zur Bekämpfung der schweren Kriminalität. Jedoch würden zwingende Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung nicht konsequent beachtet. So könne die angenommene Löschung von »eingefrorenen« Daten durch in der Praxis häufig vorkommende mehrfache Eingriffe umgangen werden. Dadurch könne sogar weitergehend ein umfassender Datenbestand von Verbindungs- und Standortdaten sämtlicher Nutzer bei Unternehmen, die Telekommunikationsdienstleistungen erbringen, entstehen. Das Fehlen einer fallbezogenen Zweckbindung für das »Auftauen« solcher Datenmengen könne intensive Eingriffe in das Privatleben der Nutzer ermöglichen, was der Rechtsprechung zum Schutz der Grundrechte des Einzelnen auf eine unüberwachte, ungestörte Telekommunikation, der Wohnung und der privaten Lebensgestaltung sowie dem Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zuwiderlaufe. Derartige Eingriffe würden auch den Beratungs- und Schutzauftrag der Rechtsanwälte und Verteidiger betreffen.

Zu keiner besseren Einschätzung kommt man in Bezug auf den Gesetzesentwurf vom 13. November 2024. Damit werde sogar eine anlassunabhängige, telekommunikationsrechtlich verankerte Dauerspeicherung von IP-Adressen und Portnummern für einen Monat zu Zwecken der Bekämpfung schwerer Kriminalität vorgeschlagen. Eine generelle Speicherpflicht bedeute für die Unternehmen, die Telekommunikationsdienstleistungen erbringen, eine Inanspruchnahme, die über die von ihnen vertraglich zu erbringende Speicherung hinausgehe; für Bürger bedeute das eine Inpflichtnahme ihres Rechts auf Privatheit für die staatliche Kriminalitätsverfolgung. Einem solchen belastenden Eingriff stünden nicht die erforderlichen hinreichenden Kontrollen der weiteren Verwendung, das notwendige Verbot von Datenkombinationen sowie regelmäßige unabhängige Kontrollen gegenüber. Auch würden keine neuen Freiräume, keine erweiterte Transparenz und kein unmittelbarer Rechtsschutz gegen Eingriffe geschaffen. Ein tragfähiges Modell, das der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung entsprechen könnte, sei damit auch hier noch nicht gefunden. Gegenüber netzpolitik.org erklärt die BRAK:

In jüngster Zeit wurde vermehrt vertreten, dass der EuGH mit seiner zwischenzeitlich (2024) ergangenen Rechtsprechung zur IP-Adressenspeicherung zwecks Urheberrechtsschutz in Frankreich seine restriktive Haltung zur Vorratsdatenspeicherung derart gelockert habe, dass eine Vorratsspeicherung von IP-Adressen bzw. die Quick-Freeze-Lösung nun uneingeschränkt/fraglos zulässig sei. Dies ist mitnichten der Fall, was wir in der Stellungnahme deutlich ausführen.

Zusammenfassend fordert die Kammer, dass Beschuldigte nicht zum Objekt der Strafverfolgung werden dürfen. Zudem hat man eine Schutzlücke bei Zeugnisverweigerungsrechten aus beruflichen Gründen ausgemacht. Insgesamt fehle es einer überzeugenden Abwägung der Verhältnismäßigkeit der vorgesehenen Eingriffe gegenüber den Grund- und Verfahrensrechten. Ob diese Argumente Einfluss auf die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD haben werden, bleibt abzuwarten; eine gesetzliche Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung ist angekündigt.

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