Weißer Rauch über Berlin: am 09. April 2025 haben sich die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Domain-Namen finden darin keine Erwähnung, dafür die juristischen Dauerbrenner Vorratsdatenspeicherung und die NIS-Richtlinie.
Ein sehr starkes und sehr klares Signal an die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes
und
Das Leben in Deutschland einfacher und gerechter machen
– das versprechen die künftigen Regierungspartner im 146-seitigen Koalitionsvertrag mit dem Titel »Verantwortung für Deutschland« für die 21. Legislaturperiode. Auch wenn Koalitionsverträge rechtlich unverbindlich und gerichtlich nicht durchsetzbar sind, entfalten sie vor allem in der ersten Phase einer Koalitionsregierung erhebliche politischen Wirkungen, so dass sich ein Blick auf die politischen Vorhaben lohnt. Keinen unmittelbaren Regelungsbedarf sieht man demnach im Bereich der Domain-Namen; sie kommen im gesamten Text nicht vor, auch wenn man sich mit der Domain koalitionsvertrag2025.de die passende Internetadresse rechtzeitig gesichert hat. Das gilt auch für den Begriff der Vorratsdatenspeicherung, der ebenfalls nicht vorkommt; allerdings ist klar, was gemeint ist, wenn es im Kapitel „Sicheres Zusammenleben, Migration und Integration“ heisst:
Wir führen eine verhältnismäßige und europa- und verfassungsrechtskonforme dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern ein.
Dabei will man insgesamt »europa- und verfassungsrechtlichen Spielräume ausschöpfen«. Wie groß diese Spielräume sind, ist umstritten, die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat erst kürzlich betont, dass nach ihrer Ansicht die Auffassung, der EuGH habe mit seiner 2024 ergangenen Rechtsprechung zur IP-Adressenspeicherung zwecks Urheberrechtsschutz in Frankreich seine restriktive Haltung zur Vorratsdatenspeicherung gelockert, nicht zutreffend und damit eine Vorratsspeicherung von IP-Adressen bzw. die Quick-Freeze-Lösung auch nicht ohne weiteres zulässig ist.
Zwangsläufig aufgegriffen wird die Richtlinie über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der gesamten EU (Network and Information Security 2, kurz: NIS-2). Sie hätte bereits zum 17. Oktober 2024 in nationales Recht umgesetzt werden müssen; das im Entwurf vorliegende NIS-2-Umsetzungs- und Cybersicherheitsstärkungsgesetz (NIS2UmsuCG) fiel dem Prinzip der sachlichen Diskontinuität zum Opfer, wonach alle Gesetzentwürfe und andere Vorlagen, die vom alten Bundestag noch nicht beschlossen wurden, neu eingebracht und verhandelt werden müssen. Wohin die Reise in Sachen NIS-2 geht, bleibt aber unklar; es heißt lediglich
Wir werden im Rahmen der Umsetzung der NIS-2-Richtlinie das BSI-Gesetz novellieren.
und
Kritische Energieinfrastruktur, insbesondere Netze und Erneuerbare-Energien-Anlagen, muss auch in Umsetzung der NIS-2-Richtlinie resilient und bestmöglich geschützt werden.
Wiederum keine ausdrückliche Erwähnung finden Netzsperren; dafür hat man sich auf den Grundsatz
Wir setzen uns für den Erhalt des freien, fairen, neutralen und offenen Netzes ein. Das ist unsere Vision für ein digitales Zeitalter, in dem wir souverän, sicher und wettbewerbsfähig agieren – zum Wohl unserer Gesellschaft, zum Schutz demokratischer Werte und für Wachstum und Wohlstand
verständigt. Der Hinweis
Grundsätzlich sichern wir die Vertraulichkeit privater Kommunikation und Anonymität im Netz
lässt aber zumindest jede Hintertür offen.
Dass Domain-Namen von der Tagespolitik aber keinesfalls ausgenommen sind, zeigen die Diskussionen um die Zollpolitik der USA. Da zahlreiche Registries, darunter mit der .com-Verwalterin VeriSign Inc. die weltweit größte, ihren Sitz in den USA haben, stellt sich die Frage, ob Zölle auch Domains treffen könnten. Aktuell ist das nicht der Fall, da sich die Zölle vor allem auf physische Güter beziehen, nicht auf digitale (Dienst-)Leistungen. Allerdings könnten solche Leistungen ein verlockendes Ziel handelspolitischer Vergeltungsmaßnahmen sein, da die USA in diesem Bereich einen Handelsüberschuss aufweisen. Zieht man weiter in Betracht, dass die EU mit einer Vielzahl von Regelungen wie der NIS-2, dem Digital Service Act (DSA), dem Digital Market Act (DMA) und vor allem der DSGVO Unternehmen und Organisationen mit Sitz in den USA ins Visier genommen hat, könnten bei einem anhaltenden Handelskrieg auch Domains erfasst werden; es besteht jedenfalls kein Anlass, sich zurückzulehnen. Ob damit europäische Länderendungen an Attraktivität gewinnen, kann man in den kommenden Wochen an den Registrierungszahlen ablesen.