Nach einem Bericht der „Leipziger Volkszeitung“ hat sich die Regierungskoalition im Streit um die Vorratsdatenspeicherung angenähert: nach einem Vorschlag der Union soll die Speicherfrist statt sechs nur drei Monate betragen. Die SPD kontert mit einem „Musterantrag“, während die Netzgemeinde ihr Glück im Petitionsweg sucht.
Die anlasslose umfassende Vorratsdatenspeicherung bleibt ein Dauerzankapfel. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im März 2010 geurteilt hatte, dass die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung wegen Verstoßes gegen Artikel 10 Abs. I des Grundgesetzes verfassungswidrig sind, sucht die Politik derzeit Lösungen, im Zuge der Umsetzung einer Richtlinie vom 21. Dezember 2007 (2006/24/EG) eine neue Regelung zu finden. Nachdem die FDP unter Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und den Beschlüssen im Bundestagswahlprogramm der Vorratsdatenspeicherung bisher ablehnend gegenüberstand, hat Clemens Binninger, Innenexperte der Union im Bundestag, nach Angaben der „Leipziger Volkszeitung“ einen neuen Vorstoß gewagt: „Ich könnte mir eine von sechs auf drei Monate verkürzte Speicherfrist vorstellen.“ Bisher hatte die Union eine Mindestfrist von sechs Monaten als zwingend notwendig erachtet. Zugleich könne man sich statt einer generellen Datenspeicherung auch auf einen ganz konkret begrenzten Straftatenkatalog beschränken.
Wie ernst dieser Vorschlag ist, wird sich zeigen. So weist etwa das Bildblog darauf hin, dass es unmöglich sei, die Datenspeicherung auf bestimmte Straftaten zu beschränken, da Kriminelle ihre Datentransfers nicht vorher bei der Polizei anmelden; eine generelle Datenspeicherung bliebe somit unausweichlich. Das Bundesjustizministerin hatte daher im Juni 2011 im Rahmen eines Entwurfs für das „Gesetz zur Sicherung vorhandener Verkehrsdaten und Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften im Internet“ vorgeschlagen, einen „Quick Freeze“ einzuführen, wonach Telekommunikationsunternehmen die Verkehrsdaten eines Kunden erst auf Anweisung speichern; kleinere Provider sollen von der Speicherungspflicht gänzlich ausgenommen sein.
In diese Diskussion mischt sich nun auch „Musterantrag“ aus dem Gesprächskreis „Netzpolitik und Digitale Gesellschaft“ des SPD-Parteivorstands, an dem unter anderem der Netzaktivist Alvar Freude mitgewirkt haben soll. Die Maximalspeicherfrist von verdachtslos gespeicherten Daten soll demnach auf sechs Monate begrenzt sein; im übrigen ist für die SPD eine Zustimmung zu einer Vorratsdatenspeicherung nur unter engen Voraussetzungen möglich. Hierzu gehört eine Beschränkung von Abruf und Nutzung der Verbindungsdaten nur bei Verdacht auf schwerste Straftaten (insbesondere Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung), nur unter Richtervorbehalt, eine generelle Unterrichtungspflicht für die von einem Datenabruf Betroffenen sowie ein absolutes Verwertungsverbot für Berufsgeheimnisträger und andere Geheimnisträger wie Journalisten, Abgeordnete, Rechtsanwälte oder Priester). Der Antrag soll anlässlich des SPD-Bundesparteitags im Dezember 2011 eingebracht werden.
Unterdessen gewinnt die aus dem Umfeld des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung kommende Petition „Strafprozessordnung ? Verbot der Vorratsdatenspeicherung“ an Unterstützung. Am 07. September 2011 wurde die Marke von 19.000 Unterstützern erreicht. Sie läuft noch bis zum 06. Oktober 2011 und hat sich zum Ziel gesetzt, 50.000 Mitzeichner zu gewinnen. Ist diese Zahl erreicht, wird eine Petition im Regelfall im Petitionsausschuss öffentlich beraten.