Produktpiraterie

ICANN nimmt scharfe Kritik an der DSGVO

Die Internet-Verwaltung ICANN geht in Sachen WHOIS auf Konfrontation zur EU-Kommission: im Rahmen der Initiative »EU-Instrumentarium zur Bekämpfung von Fälschungen« nutzte ICANN eine Anhörung, um sich kritisch zur Datenschutzgrundverordnung zu äussern.

Nach Ansicht der EU-Kommission besteht im Handel mit nachgeahmten Waren dringender Handlungsbedarf. Er schädige Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher, führe zu Umsatzeinbußen bei Unternehmen und zu Verlusten bei den Steuereinnahmen, und stehe im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität. Um die Bekämpfung von Produktfälschungen zu intensivieren, hat man die Initiative »EU-Instrumentarium zur Bekämpfung von Fälschungen« Leben gerufen. Sie soll unter anderem die Aufgaben und Zuständigkeiten der Rechteinhaber, der Mittler (wie z.B. Online-Plattformen, Zahlungs- und Transportdienste, Registries und Registrare) und der Behörden klären und so dazu beitragen, die Zusammenarbeit und den Datenaustausch zu verbessern und den Einsatz neuer Technologien zu fördern. Die Initiative ist Teil des Aktionsplan IP der EU zur Produktpirateriebekämpfung. Vorgesehen sind unter anderem Leitlinien für EU-Mitgliedstaaten, Rechteinhaber und Vermittler zur Förderung von Innovationen bei der Entwicklung von Instrumenten und Konzepten, eine entsprechende Arbeitsunterlage der betroffenen Kommissionsdienststellen sowie diverse andere Instrumente, darunter Datenbanken und elektronische Systeme und Standardformulare. Vom 03. Februar bis 03. März 2022 hatte die Öffentlichkeit Gelegenheit zu einer Stellungnahme, von der auch ICANN Gebrauch gemacht hat.

Mit 9 Seiten fiel diese Stellungnahme nicht zu knapp aus, auch inhaltlich hat sie es in sich. ICANN betont in der Einleitung die eigene Rolle »in making and enforcing policies that apply globally to the DNS«, basierend auf dem Multistakeholder-Modell der Netzverwaltung. Zugleich macht man ausdrücklich klar: »ICANN is not the Internet’s content police.«, verwahrt sich also gegen Überlegungen, ICANN auch eine Inhaltskontrolle aufzuerlegen. Besonders scharf ist die Kritik an der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO oder englisch: GDPR), die nach Auffassung von ICANN das Treiben Krimineller im Cyberspace erleichtert hat:

This [GDPR] has fragmented a system that many rely upon for reasons as varied as law enforcement investigations, intellectual property, and security incident response, among others.

Die Prüfung von Registrierungsdaten sei deutlich erschwert worden und könne auch von ICANN nicht mehr ohne weiteres geprüft werden:

Pre-GDPR, ICANN org investigated the accuracy of gTLD registration data both in response to external complaints and in the context of the WHOIS Accuracy Reporting System project, in which ICANN org proactively identified potential inaccuracies and addressed them with registrars. This project was paused upon the effective date of the GDPR, given that much of the registrant contact information is now redacted from public view and, thus, not accessible for analysis.

Mit anderen Worten: die EU selbst hat sich durch die DSGVO eines der wertvollsten Werkzeuge in der Bekämpfung von Missbrauch begeben.

Neben ICANN haben sich unter anderem auch die ICANN Business Constituency, die Bundesrechtsanwaltskammer, das International Olympic Committee, die International Trademark Association und CENTR mit eigenen Stellungnahmen an der Anhörung beteiligt. Ob sich die EU-Kommission davon beeindrucken lässt, wissen wir frühestens im 4. Quartal 2022; dann soll über die Annahme entschieden werden.

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