BVerfG

Polizei kann IP-Adressen verlangen

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) setzte sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Frage auseinander, wann es keines richterlichen Beschlusses bedarf, um eine gespeicherte IP-Adresse an die Ermittlungsbehörden übermitteln zu müssen (Beschluss vom 13.11.2010, Az.: 2 BvR 1124/10).

Die Beschwerdeführerinnen, ein Unternehmen, das unter anderem den technischen Betrieb von „Online-Banking“ für Banken bereit stellt, und deren Leiterin der Rechtsabteilung, wehren sich im Wege einer Verfassungsbeschwerde gegen die Verpflichtung zur Auskunft über eine IP-Adresse ohne vorherige Einholung einer richterlichen Anordnung gemäß § 100g, § 100b StPO. Sie sahen auf die Leiterin der Rechtsabteilung einen Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) mit der Folge, sich einer Straftat schuldig zu machen (§ 206 StGB), soweit sie der Aufforderung nachkämen, zukommen. Der Streit ging über einen Bescheid der Staatsanwaltschaft Baden-Baden, die ein Ordnungsgeld von EUR 300,– gegen die Rechtsabteilungsleiterin erließ, einem Beschluss des Amtsgerichts Baden-Baden (vom 16.04.2010, Az.: 9 AR 2/10) bis zu einem Bescheid des Generalstaatsanwalts in Karlsruhe (vom 06.05.2010, Az.: 7 Zs 178/10). Schließlich wandten sich die Beschwerdeführerinnen an das Bundesverfassungsgericht.

Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnungen und Entscheidungen nicht an. Das BVerfG zweifelt bereits daran, dass mit der angeordneten Auskunftserteilung ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) vorliegt. Denn die hier angefragten Verbindungsdaten wurden nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs beim Telekommunikationsteilnehmer aufgezeichnet und gespeichert. Damit fallen sie nicht unter den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses, sondern den des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses endet, so das BVerfG, sobald die Nachricht beim Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet ist. Die Beschwerdeführer hatten nicht klar vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt sie die IP-Adresse gespeichert hatten: ob während des oder nach dem Übertragungsvorgang. Dann differenzierte das BverfG die Anforderungen für die Notwendigkeit einer richterlichen Anordnung. Ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis setze nicht ausdrücklich eine gerichtliche Entscheidung voraus. Ob eine richterliche Anordnung vorausgehen muss, hänge von den Daten und deren Gewinnung ab, über die Auskunft erteilt werden soll. Hier ging es lediglich um eine IP-Adresse, die im Rahmen der vertraglichen Nutzung entstanden ist, weshalb der Eingriff nicht besonders schwer wiege. Anders wäre es, wenn Telekommunikationsdaten anlasslos und systematisch über einen längeren Zeitraum überwacht und abgefragt werden würden. Ein solches Vorgehen wäre ein schwerer Eingriff in das Fernmeldegeheimnis. Um die Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu gewähren, müsste dann zuvor ein Richter über den Eingriff befinden.

Das BVerfG verweist in dieser Entscheidung nochmals darauf, dass mit dem Ende des Kommunikationsvorgangs auch das Fernmeldegeheimnis endet. Alle dann vorhandenen Daten unterliegen anderen Grundrechten. Aufgrund einer Ermittlungsanfrage, die sich auf § 161 Abs. 1 StPO stützt, müssen die Daten demnach, vorausgesetzt, es ermittelt die Staatsanwaltschaft und es handelt sich nicht um Vorermittlungen der Polizei, übermittelt werden. Eines richterlichen Beschlusses bedarf es erst, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen handelt, weil anlasslos und systematisch über einen längeren Zeitraum eine Gesamtheit von Daten gespeichert wird, aufgrund derer Rückschlüsse auf die Privatsphäre einer Person gezogen werden können.

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