SWITCH

Neue Domain-Streitordnung (2. Teil)

Seit 01.03.2004 gilt eine Schiedsordnung für die Domain-Endung der Schweiz und Liechtenstein: .ch und .li. Worauf man in Deutschland noch lange warten kann – Denic erklärt regelmäßig, man werde eine Schiedsgerichtordnung nicht einrichten – hat die Schweizer Domain-Verwaltung Switch mehr oder weniger nebenbei eingeführt.

Im 1. Teil über die Schweizer Schiedsordnung haben wir den Verfahrensablauf und die Schlichtung besprochen; im 2. Teil wenden wir uns dem Expertenbescheid zu und prüfen die Argumente von Denic gegen die Einführung einer Schiedsordnung.

Expertenbescheid
Die 2. Stufe des Streitbeilegungsverfahrens ist der Expertenbescheid. Innerhalb zehn Tage nach der Benachrichtigung über den Ausgang des Schlichtungsversuchs kann der Gesuchsteller den Antrag auf Fortsetzung des Streitbeilegungsverfahrens und damit zur Einleitung des Expertenbescheids stellen. Zudem muss er in dem Zeitraum die Zahlung der Gebühren in Höhe von CHF 2.000,– für dieses Verfahren veranlassen. Anders als beim UDRP-Verfahren wird lediglich ein Experte bestellt, ein aus drei Richtern bestehendes Panel ist nicht vorgesehen. Das kann sich als nachteilig herausstellen. Wie Dietrich Beier in seinem Buch »Recht der Domainnamen« (München 2004, ISBN 3-406-51496-0) mitteilt, ergeben sich bei UDRP-Verfahren, die von lediglich einem Richter beurteilt werden, deutlich mehr Fehlentscheidungen. Das muss jedoch für das Schweizer Verfahren nichts bedeuten, da sich das lediglich auf das Kennzeichenrecht in der Schweiz und in Liechtenstein bezieht und nicht noch andere Kodifizierungen berücksichtigen muss.

Den Experten wählt die Streitbeilegungsstelle aus, die auf ihre Liste mit Experten zurückgreift. Die Bestellung soll binnen 5 Tagen erfolgen. Der Experte leitet das Streibeilegungsverfahren, wobei er dafür Sorge trägt, dass beide Parteien gleich behandelt werden. Eine mündliche Verhandlung (wie die Telefonkonferenz in der ersten Stufe des Verfahrens) findet nicht statt, es sei denn, eine Partei stellt einen entsprechenden Antrag. Sie trägt dann auch die durch die Telefon-, Video- oder Internetkonferenz anfallenden Kosten.

Der Experte prüft nun die Rechtslage anhand des Vorbringens beider Parteien und der eingereichten Schriftstücke unter Beachtung des Verfahrensreglements. Der Gesuchsteller muss eine Verletzung seines nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins bestehenden Kennzeichenrechts durch die Registrierung oder Verwendung des Domain-Namens vortragen und beweisen.

»24. (d)
Eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts liegt insbesondere dann vor, wenn

i. sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und

ii. der Gesuchsgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und

iii. die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domain-Namens rechtfertigt.«

Der Entscheid des Experten, die lediglich drei Ergebnisse aufweisen kann, nämlich Löschung oder Übertragung des Domain-Namens oder Abweisung des Gesuchs, ergeht schriftlich mit einer kurzen Begründung an die Parteien und die Streitbeilegungsstelle und wird veröffentlicht.

Implementierung
Die Streitbeilegungsstelle muss den Expertenentscheid binnen zwanzig Tagen nach Zugang der elektronischen Fassung des Entscheids umsetzen, es sei denn, gegen den Entscheid wird Rechtsmittel bei den ordentlichen Gerichten eingelegt und der Streitbeilegungsstelle wird innerhalb der zwanzig Tagefrist ein offizieller Nachweis für die Bestreitung des ordentlichen Rechtswegs vorgelegt. Für diesen Fall muss die Streitbeilegungsstelle warten, bis eine Entscheidung getroffen wurde. Solange bleibt der Domain-Name blockiert.

Ein solches Streitschlichtungsverfahren wird allenfalls 40 Tage in Anspruch nehmen. Es ist eine schnelle und relativ unproblematische und dabei günstige Möglichkeit, einen Domain-Streit auszufechten. Einmal mehr stellt sich da die Frage, warum in Deutschland ein solches Verfahren nicht eingeführt wird.

DENIC eG
Die von DENIC eG angeführten Argumente gegen ein Streitschlichtungsverfahren für .de sind nachvollziehbar, aber nicht zwingend. Die Geschäftsführerin der DENIC, Frau Sabine Dolderer erklärte in unserem Sommerinterview, es gäbe keine Nachfrage für ein solches Verfahren, und weiter

»Die UDRP ist für die gTLDs eingerichtet worden, weil dort die Parteien von Konflikten häufig in ganz verschiedenen Ländern ansässig sind und sich daraus erhebliche Probleme bei der Rechtsdurchsetzung ergeben. Diese Schwierigkeiten bestehen bei .de-Domains von vornherein in aller Regel nicht. Davon abgesehen hat ein Streitschlichtungsverfahren nur dann eine Berechtigung, wenn die staatliche Gerichtsbarkeit keine attraktive Alternative darstellt; das aber tut sie in Deutschland mit vergleichsweise geringen Kosten und sehr schnellen Entscheidungen. Zudem einigen die Streitparteien sich häufig sehr schnell untereinander, weil natürlich der Domaininhaber in klaren Fällen sehr schnell aufgibt. In solchen klaren Fällen braucht man die UDRP also nicht. Für weniger klare Fälle aber gilt sie ohnehin nicht und würde sie auch nicht genutzt, weil dort die Parteien, aus meiner Sicht zu Recht, eine grundsätzliche Klärung wünschen.«
Im Übrigen, so erklärte Frau Dolderer weiter, sei die UDRP für die gTLDs auf Betreiben der Interessenvertreter von Markeninhaber eingeführt worden;
»In Deutschland hingegen teilen sogar diese Interessenvertreter unsere Einschätzung, daß man eine UDRP nicht braucht.«
Dass es keine Nachfrage für dieses Verfahren gäbe, kann man bezweifeln. Es mag sein, dass sich Betroffene nicht direkt an DENIC wenden, wenn sie eine Abmahnung erhalten, mit einer einstweiligen Verfügung überzogen oder in ein Klageverfahren gezogen werden, doch spätestens, wenn die Kostenfrage in Erscheinung tritt, wird deutlich, dass ein günstiges Schiedsverfahren möglicher Weise ein anderes Bild der aktuellen Rechtsprechung zeigen würde. Denn eines der stärksten Argument für ein Schiedsverfahren sind die geringen Kosten, die in der Regel vom Antragsteller zu tragen sind. Bei Streitwerten von in der Regel über € 50.000 ist das Kostenrisiko für den einfachen Bürger oder Kleinunternehmer gegenüber einen Unternehmen oder gar Konzern einfach zu hoch, um sein Recht gerichtlich überprüfen zu lassen. Das ist der Grund, warum zahlreiche Domains den Inhaber wechseln und es vermeintlich wenige Domain-Rechtsstreite gibt; und es ist der Grund, warum viele Betroffene ein Schiedsgerichtsverfahren herbeiwünschen.

Aber nicht nur der Rechtsstreit ist teuer: auch eine ungenutzte Domain kann ein Vermögen kosten. Hinzu kommt ein Weiteres: der Rechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten kostet Zeit, und Zeit ist Geld. Zeit zwar, die zuletzt als Schaden geltend gemacht werden kann. Aber wie bei Domain-Rechtsstreiten üblich, lassen sich Verluste, die mit der Nichtnutzung oder unberechtigten Nutzung einhergehen, nur schlecht messen. Die Rechtsprechung hat hier in einer letzten Entscheidung nachvollziehbar deutlich gemacht, dass der Schaden nicht einfach per Lizenzanalogie berechnet werden kann, sondern präzise Angaben vom Anspruchsteller gemacht werden müssen, anhand derer das Gericht dann eine Schätzung vornehmen kann. Das wird in der Regel kaum gelingen, auch wenn einige Klagen da erfolgreich waren. Für alle Beteiligten ist eine schnelle Lösung eine bessere Lösung. Dass die Auseinandersetzung um beispielsweise die Domain mitwohnzentrale.de mehr als 4 Jahre dauerte, sollte im Internetzeitalter zu denken geben. Wir reden da nicht dem oberflächlichen Schnelligkeitskult das Wort. Aber brauchbare Lösungen, an denen man sich alsbald orientieren kann, geben in diesem Falle Sicherheit und Handlungsfreiheit.

Im Übrigen schließt eine Schiedsgerichtsbarkeit ja die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht aus – das ist in der Schweizer Schiedgerichtordnung entsprechend geregelt. Und das Deutsche Prozeßrecht sieht eine schiedsgerichtliche Lösung ausdrücklich vor.

Dass nur einfache Fälle schnell außergerichtlich gelöst werden, trifft schlichtweg nicht zu. Schnelle Lösungen erfolgen in einem sicher beachtlichen Rahmen wegen des oben genannten Kostenrisikos, auch wenn die Rechtslage kompliziert ist. Und die Klärung problematischer Rechtsfälle obläge besser fachkundigen und spezialisierten Anwälten und Richtern, die sich in der Thematik auskennen, und in einer Expertenliste als Panels aufgenommen werden könnten. Die Vergangenheit zeigt, dass in einem ordentlichen Rechtsstreit unter Umständen kenntnis- oder verständnislose verbeamtete Richter, die aufgrund des Dienstplanes zum Domain-Rechtsstreit kommen wie die Jungfrau zum Kinde, Fehlentscheidungen treffen, die wegen des weiteren Kostenrisikos Eingang in eine gängige Rechtsprechung finden.

Der Ruf nach einer Schiedsgerichtsordnung für .de-Domains kommt eher aus der Gruppe betroffener Domain-Inhaber, die sich massiver Kosten im Rahmen eines ordentlichen Rechtsstreits ausgesetzt sehen, als von der Markenlobby, die allerdings ihrerseits ein fundamentales Interesse daran hat, Marken- und Namensrechtsverletzungen im Wege einer Schiedsgerichtsverhandlung zügig geklärt zu sehen.

Und solange Gerichte dazu tendieren, einstweilige Verfügungen kurzerhand zugunsten von Markeninhabern zu erlassen, die sich hinterher als vollkommene Fehlentscheidung entpuppen (siehe oil-of-elf.de und stoppesso.de), sprechen für sich. Nicht zu schweigen davon, dass solche frühen Fehlentscheidungen der ordentlichen Gerichte, bei gesetzeswidriger Vorwegnahme der Hauptsache, den betroffenen Domain-Inhaber unwiederbringlich um seine Domain bringt.

Dass die UDRP nur für gTLDs eingerichtet wurde, mag ursprünglich so gedacht gewesen sein. Aber sie wurde Beispiel für die Schiedsgerichtsordnungen zahlreicher ccTLDs-Verwaltungen, wie Belgien, die Niederlande und die Schweiz und Österreich zeigen. Schiedsgerichtsordnungen sind eben nicht nur sinnvoll in Fällen, wo sich Parteien verschiedener Staatsangehörigkeit gegenüber stehen. Auch innerhalb eines Landes sind sie zunächst der bessere Weg zu einer Lösung. Den ordentlichen Gerichtsweg können die Parteien nach einer Schiedsgerichtsentscheidung immer noch betreten.

Was bleibt also von der Argumentation der DENIC? Die Frage ist rhetorisch und bereits beantwortet. Es wird Zeit!

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