Steuerrecht I: Bilanzierung von Domains

Das deutsche Steuerrecht ist nicht nur dem Normalbürger ein Mirakel, so manchen Fachmann kraust es vor einigen Regalmetern Fachliteratur. Spezialistentum ist da Pflicht. Wir wollen hier einen ganz lichten Einblick geben in den Umgang mit Domains, wenn die Prüfung kommt. Dabei orientieren wir uns an dem unbedingt lesenswerten und natürlich viel tiefer gehenden Aufsatz von RA/FAStR/StB Dr. Jens Schmittmann in StuB (Steuer- und Bilanzpraxis, 2002, S. 105 ff): Rechtsfragen bei der Bilanzierung und Bewertung einer Domain nach HGB, IAS und US-GAAP.

Die Frage der Bewertung klammern wir an dieser Stelle aus, um später darauf zurückzukommen.

Im Handelsrecht taucht die Frage auf, wie Domains zu bilanzieren sind. Die erste Frage die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die, was eine Domain im handelsrechtlichen Sinne überhaupt ist. Im deutschen Zivil-, Handels- und und Steuerrecht findet sich der Begriff Domain nicht. Um bei der Bilanzierung berücksichtigt werden zu können, muss die Domain ein Wirtschaftsgut bzw. ein Vermögensgegenstand sein.

Unter Wirtschaftsgütern versteht man Sachen, Tiere und nichtkörperliche Gegenstände, sofern sie am Bilanzstichtag bereits als realisierbarer Vermögenswert angesehen werden können – so der Bundesfinanzhof. Zu diesen gehören auch bloße vermögenswerte Vorteile, einschließlich tatsächlicher Zustände und konkreter Möglichkeiten. Der Kaufmann muss für dieses Wirtschaftsgut gutes Geld ausgeben, es muss einer selbständigen Bewertung zugänglich sein und sollte einen Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre haben.

Domains sind sowohl konkret wie auch abstrakt verkehrsfähig, sind also übertragbare und veräußerbare Rechte. Sie können gehandelt, vermietet und auch abgetreten werden. Deshalb ist man sich mittlerweile einig, dass Domains als „andere Vermögensrechte“ im Sinne von § 857 ZPO aufzufassen sind und gepfändet werden können. § 857 ZPO ist eine Norm des Vollstreckungsrechts. Entsprechende Entscheidungen liegen vom LG Essen, AG München und AG Langenfeld vor. Allerdings steht dem noch immer die Entscheidug des OLG München entgegen, wonach eine Pfändung der Domain nach § 857 ZPO nicht möglich sei.

Wenn Domains veräußerbar, pfändbar usw. sind, spricht alles dafür, sie auch als Vermögenswerte im steurrechtlichen Sinne anzusehen. Es fragt sich dann aber, ob sie dem Anlagevermögen oder dem Umlaufvermögen zuzurechnen sind.

Anlagevermögen
Bei Anlagevermögen unterscheidet man in Anlehnung an § 266 HGB immaterielle Vermögenswerte, Sachanlagen und Finanzanlagen. Bei einer Domain wird man gleich an einen immateriellen Vermögenswert denken. Unter diesen Begriff fallen Konzessionen und gewerbliche Schutzrechte, ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten. Die Domain wird als ähnliches Recht angesehen. Letztlich handelt es sich nämlich dabei um ein Nutzungsrecht, aufgrund dessen der Inhaber von der DENIC e.G. eine Konnektierung unter dem Domain-Namen verlangen kann.

Umlaufvermögen
Man könnte aber auch auf den Gedanken kommen, eine Domain ist Umlaufvermögen. Das trifft insbesondere auf den Handel mit Domains zu. Wenn sie als Ware durch die Hand des Händlers gehen. Unter Umlaufvermögen fallen Vorräte wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Erzeugnisse und Leistungen, Waren sowie geleistete Anzahlungen. Unter diesen Voraussetzungen könnten Domains auf Vorrat konnektierte waren sein, soweit sie für den weiterverkauf bestimmt sind. Damit wären sie Umlaufvermögen.

Nun fragt sich, wo die Grenze zu ziehen ist, zwischen den beiden Veranlagungsarten. Maßstab ist, was der Unternehmer mit der Domain will. Will er sie weiterveräußern, so kann man sie dem Umlaufvermögen zuordnen. Aber ganz so einfach ist das nicht. Vielleicht ist die Domain nur eine vorrübergehende Notlösung oder die Ergänzung eines Portfolios, die gar nicht so wichtig ist und bei entsprechender Anfrage weiterveräußert wird. In der Regel werden bei der Einordnung zu den unterschiedlichen Veranlagungsarten gerade solche Kriterien herangezogen werden.

Besitzt der Domain-Inhaber nur eine, die mit der Firma identisch oder zumindest teilweise identisch ist, wird man sie unter das Anlagevermögen einordnen. Das sollte auch der Fall sein, wenn mehrere Domains vorhanden sind, die Produktbezeichnungen des Inhabers entsprechen. Sind darüber hinaus weitere Domains vorhanden, wird die Zuordnung schwieriger.

Die Erfassung der Domain im Anlagevermögen setzt allerdings voraus, dass nicht das Bilanzierungs- bzw. Aktivierungsverbot entgegensteht. Dieses findet sich in § 248 Absatz 2 HGB, wonach ein Aktivposten für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, der nicht entgeltlich erworben wurde, nicht angesetzt werden darf. Eine vergleichbare Reglung findet sich auch in § 5 Absatz 2 EStG. Einhellig ist man der Meinung, dass auch Standardsoftware als immaterielles Wirtschaftsgut als Anlagevermögen in Ansatz gebracht werden darf. Damit ist der Weg für Domains geebnet.

Problematisch bleibt jedoch, dass das in § 248 Absatz 2 HGB statuierte Bilanzierungs- bzw. Aktivierungsverbot darauf fußt, dass immaterielle Werte nur schwer schätzbar und somit unsicher sind. Erst mit dem entgeltlichen Erwerb erlangen sie Substanz. Hier zeigt sich eine Indifferenz bei der Domain: Der entgeltliche Kauf der Domain beim Provider ist das eine. Damit hat man aber nicht die Domain selbst. Insbesondere ist kein Vermögensgegenstand vorhanden, den man erwirbt. Die Domain und ihr Wert entstehen erst durch die Konnektierung bei der DENIC e.G. Der Vermögenswert entsteht nicht unmittelbar mit dem „Kauf“, sondern erst deutlich später mit der Erst-Konnektierung. Erst diese schafft den Vermögenswert und ist der Zeitpunkt des tatsächlichen Erwerbs der Domain. Hinzu kommt, dass dieser Wert zu Nichts wird, wenn man es versäumt, die Konnektierungsgebühren zu zahlen. Mit Neuregistrierung der verlorenen Domain besteht wieder ein originärer Erwerb.

Geht man bei dem Vertrag mit der DENIC e.G. davon aus, es handelt sich um einen Werkvertrag (die DENIC muss eine sacher erstellen), so behält die Domain ihren Wert, solange der Werkvertrag besteht bzw. fortgeführt wird.

Für immaterielle Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens gilt das Aktivierungsverbot des § 248 Absatz 2 HGB nicht. Dieses Umlaufvermögen ist mithin auch ohne Vorliegen eines entgeltlichen Erwerbs nach § 246 Absatz 1 HGB aktivierungspflichtig, das heißt der Vermögenswert muss bilanziert werden.

Zur Frage der Bewertung einer Domain: demnächst.

Anhang:

§ 857 ZPO

(1) Für die Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen sind, gelten die vorstehenden Vorschriften entsprechend.

[…]

§ 246 HGB

(1) Der Jahresabschluß hat sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten, Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Vermögensgegenstände, die unter Eigentumsvorbehalt erworben oder an Dritte für eigene oder fremde Verbindlichkeiten verpfändet oder in anderer Weise als Sicherheit übertragen worden sind, sind in der Bilanz des Sicherungsgebers aufzunehmen. In die Bilanz des Sicherungsnehmers sind sie nur aufzunehmen, wenn es sich um Bareinlagen handelt.

[…]

§ 247 HGB

(1) In der Bilanz sind das Anlage- und das Umlaufvermögen, das Eigenkapital, die Schulden sowie die Rechnungsabgrenzungsposten gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern.

[…]

§ 248 HGB

[…]

(2) Für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, darf ein Aktivposten nicht angesetzt werden.

[…]

§ 253 HGB

(1) Vermögensgegenstände sind höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um Abschreibungen nach den Absätzen 2 und 3 anzusetzen. […]

(3) Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens sind Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit einem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlußstichtag ergibt. […]

§ 255 HGB

(1) Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten. Anschaffungspreisminderungen sind abzusetzen.

§ 266 HGB

[…]

(2) Aktivseite
A. Anlagevermögen:
I. Immaterielle Vermögensgegenstände:
1. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten;
2. Geschäfts- oder Firmenwert
3. geleistete Anzahlungen;

[…]

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