OLG Saarbrücken

Deutsche Gerichte sind für Mediatheken unter der Schweizer Endung .ch nicht zuständig

Deutsche Internetnutzer nutzen Mediatheken, die unter der Schweizer Länderendung .ch erreichbar sind, eher selten. Das entschied das OLG Saarbrücken (Urteil vom 27.09.2023 – Az. 5 U 13/23) in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren und verneinte seine internationale Zuständigkeit.

Verfügungsklägerin ist eine in der Schweiz ansässige Aktiengesellschaft, die ein international tätiges Erdölexplorations- und Produktionsunternehmen mit einem operativen Schwerpunkt in Albanien betreibt. Sie begehrt von den beiden Verfügungsbeklagten, einer in der Schweiz ansässigen Radio- und Fernsehgesellschaft und deren in der Schweiz wohnhaften »Redaktor«, die Unterlassung mehrerer Äußerungen, die ein am Abend des 06. September 2022 im schweizerischen Fernsehen (SRF) in der Sendung »Kassensturz« ausgestrahlter und im Nachgang hierzu in der Mediathek des Senders veröffentlichter und seither dort über das Internet zugänglicher – nach Darstellung der Verfügungsbeklagten nur innerhalb der Schweiz verfügbarer – Videobeitrag enthielt. Zum Hintergrund heisst es, dass die deutsche Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin im Juli 2021 die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Aktien der Verfügungsklägerin an Anleger in Deutschland verboten hat. Mit Schreiben vom 05. September 2022 luden die Verfügungsbeklagten die Verfügungsklägerin dazu ein, bis 17:00 Uhr desselben Tages zu drei einzelnen Aussagen Stellung zu nehmen. Der am Abend des 06. September 2022 ausgestrahlte und später in der Mediathek veröffentlichte Fernsehbeitrag enthielt sodann verschiedene, aus Sicht der Verfügungsklägerin unzutreffende Aussagen zu deren geschäftlicher Tätigkeit, zum Gebaren ihrer Geschäftsleiter und ihrer wirtschaftlichen Situation sowie zum Vertrieb ihrer Aktien an deutsche Anleger. Nachdem vorgerichtliche Abmahnungen erfolglos blieben, begehrte die Verfügungsklägerin zunächst vor dem Landgericht Saarbrücken und sodann im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken, den Verfügungsbeklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln das Unterlassen der Behauptung und Verbreitung verschiedener, ihres Erachtens unzutreffender Äußerungen aus Anlass des Fernsehbeitrages aufzuerlegen.

Die Verfügungsklägerin blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht verneinten bereits die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die Verfügungsklägerin hatte das Landgericht gemäß Artikel 5 Nr. 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 21. Dezember 2007 (sog. Lugano-Übereinkommen 2007, kurz: LugÜ) für zuständig gehalten, unter anderem weil die Schweizer Internet-Domain – gemeint ist die Adresse der Mediathek des Senders – auch von Deutschland aus zugänglich sei und die vermeintlich geschädigten Aktionäre der Verfügungsklägerin sich zu einem »erheblichen Teil« – 31 von insgesamt 461 – aus in Deutschland wohnhaften Personen rekrutierten. Damit drang sie jedoch nicht durch. Zwar kann nach Artikel 5 Nr. 3 LugÜ, der als Ausnahme vom grundsätzlichen Beklagtenwohnsitzprinzip einen Gerichtsstand am Ort der unerlaubten Handlung zulässt, eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Bei dem angerufenen Landgericht Saarbrücken handelt es sich aber nicht um das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.

Die Verfügungsbeklagten sind als Urheber der beanstandeten Inhalte nicht in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassen und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass sich der Mittelpunkt ihrer Interessen in der Bundesrepublik Deutschland befände. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die beanstandeten Aussagen über das Internet auch im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland zugänglich sind oder waren. Dieser Umstand ermöglicht zwar, eine Klage auf Ersatz des im Hoheitsgebiet dieses Staates verursachten (Teil-)Schadens zu erheben; für die vorliegende Unterlassungsklage gilt das jedoch nicht. Daran änderte auch der Verweis auf Artikel 31 LugÜ nichts. Insoweit fehlt es an einer »realen Verknüpfung« zwischen dem Gegenstand der beantragten Maßnahme und der gebietsbezogenen Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Auch der für die Bejahung einer Zuständigkeit nach § 32 ZPO erforderliche besondere Inlandsbezug ist im Streitfall nicht gegeben. Die Verfügungsklägerin ist im Inland weithin unbekannt, ihr operativer Schwerpunkt liegt nicht innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Die beanstandeten Äußerungen im Rundfunk und im Internet erfolgten außerhalb des deutschen Staatsgebietes; sie sind im Internet – nur – im Rahmen eines Videos in der unter einer Adresse mit der Schweizer Landesendung .ch erreichbaren Mediathek veröffentlicht, die, so dies überhaupt vom Ausland aus möglich ist, nach Ansicht des OLG Saarbrücken von deutschen Internet-Nutzern erfahrungsgemäß auch eher selten konsultiert werden dürfte, mithin nur bei gezielter Suche danach aufzufinden, für die hierzulande angesichts zahlloser Angebote der nationalen Rundfunkanstalten regelmäßig keine Veranlassung bestehen wird. Damit wies das OLG Saarbrücken die Berufung zurück und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Der Verfügungsklägerin bleibt es aber unbenommen, die geltend gemachten Ansprüche vor einem Gericht in der Schweiz zu verfolgen.

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