Ist der Admin-C für die Verbreitung pornographischer Schriften im Internet strafrechtlich verantwortlich? Wie erst jetzt bekannt wurde, hat sich das Landgericht Gießen mit dieser Frage befasst – und sie im konkreten Fall verneint.
Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft waren über die von der Fa. ComVTX B.V. betriebene Domain sex.de die beiden Domain-Namen hotcam-son.com und movieoncom verlinkt. Auf den darunter erreichbaren Webseiten war es möglich, Bilder anzuschauen, bei denen sexuelle Handlungen in aufdringlicher, vergröbernder Weise in den Vordergrund traten und die Darstellerinnen zum bloßen (auswechselbaren) Objekt geschlechtlicher Begierde oder Betätigung gemacht wurden. Eine effektive Barriere zum Schutz Minderjähriger gab es nicht; der Zugangscode wurde per Telefon vergeben. Der Angeschuldigte war Admin-C der Domain sex.de. Sowohl am 07. Dezember 2010 als auch am 10. Januar 2011 erhielt er jeweils ein Schreiben von jugendschutz.net, der Jugendschutzeinrichtung der Bundesländer. Diese leitete er an die Domain-Inhaberin weiter und bat um Prüfung. Nach seiner Einlassung war ihm von der Domain-Inhaberin dabei zugesichert worden, das gesamte Angebot von sex.de auch im Hinblick auf die durch jugendschutz.net aufgeworfenen Fragen zu prüfen. Gleichwohl blieb die Domain-Inhaberin untätig. Das Amtsgericht lehnte allerdings die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, so dass auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin nun das Landgericht Gießen entscheiden musste.
Das Landgericht Gießen kam zu dem Ergebnis, dass die Domain-Inhaberin ComVTX B.V. ausreichend verdächtig war, sich der Verbreitung pornographischer Schriften strafbar gemacht zu haben, §§ 184 Abs. 1 Nr. 2, 184d, 13 StGB; damit lag auch die Voraussetzung einer vorsätzlich rechtswidrigen Haupttat vor (Beschluss vom 04. 08.2014, Az.: 7 Qs 26/14). Es sei auch davon auszugehen, dass der Angeschuldigte hinreichend verdächtig ist, die Domain-Inhaberin bei der Verbreitung pornographischer Schriften unterstützt zu haben, indem er es unterließ, seine Stellung als Admin-C aufzugeben oder den Domainvertrag zu kündigen. Auch sei von einer Garantenstellung und einer damit einhergehenden Pflicht des Angeschuldigten zum Tätigwerden auszugehen; dies ergebe sich zwar nicht automatisch aus der Funktion und Aufgabenstellung als Admin-C, jedoch aus den Umständen des Falles, da es der Angeschuldigte übernommen hat, administrativer Ansprechpartner für ein Erotikportal zu sein, und für ihn der Rechtsverstoß aufgrund der Mitteilung von jugendschutz.net offenkundig und unschwer zu erkennen war. Es fehlte dem Landgericht im Ergebnis aber an dem für eine Strafbarkeit des Angeschuldigten notwendigen (doppelten) Gehilfenvorsatz. Er habe das Schreiben von jugendschutz.net nach Aktenlage an die Domain-Inhaberin weitergeleitet und darum gebeten, die Domain zu überprüfen, das Schreiben an die Inhaber der verlinkten Seiten weiterzuleiten und diese gegebenenfalls zu Änderungen aufzufordern. Damit hat er deutlich gemacht, dass ihm an der Beendigung des rechtswidrigen Zustands gelegen war. Dass er mit der Untätigkeit der Domain-Inhaberin gerechnet habe, werde ihm nicht nachgewiesen werden können. Anhaltspunkte für eine ihm bekannte Unzuverlässigkeit der Domain-Inhaberin gebe es nicht; daher war er auch nicht verpflichtet, die Beseitigung der Rechtsverletzung aktiv zu überwachen. Es fehle an den die Prüfpflicht des Admin-C begründenden, besonders Gefahr erhöhenden Umständen. Folglich bestätigte es die Ansicht des Amtsgerichts und lehnte ebenfalls die Eröffnung des Hauptverfahrens ab.
Interessantes Detail am Rande: Nach Ansicht des LG Gießen war auf die Haupttat gemäß § 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Alt. 2 StGB das deutsche Strafrecht anwendbar. Dies ergebe sich daraus, dass alle streitigen Domains bei einem Flensburger Provider gehostet werden. Die Daten werden damit in Deutschland gespeichert und zugänglich gemacht, so dass der Erfolgsort im Inland liegt. – Der Beschluss ist veröffentlicht in StV 2015 Heft 4, 226-228; online kann er bisher wohl nur (kostenpflichtig) bei juris abgerufen werden.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.