In der EU ist ein Streit um den Grundsatz der Netzneutralität entbrannt: während das EU-Parlament für die Offenheit des Internets plädiert, setzt sich der EU-Rat für ein Zwei-Klassen-Netz ein. In den USA schafft man derweil Fakten.
Im September 2013 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents (»digital single market«, kurz DSM-VO) vorgelegt. Eine einheitliche Position wurde bisher noch nicht formuliert. In diese Diskussion greift nun der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EU-Parlaments ein. In seinem Bericht über den Jahresbericht über die EU-Wettbewerbspolitik (2014/2158(INI)) verweist man darauf, dass die Netzneutralität von größter Bedeutung ist, um Diskriminierung zwischen Internetdiensten zu verhindern und für vollständigen Wettbewerb zu sorgen. Doch man geht noch weiter; so hebt man hervor, dass es im Interesse der Förderung des Wettbewerbs, der Ankurbelung des Wachstums und der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und des Verbrauchervertrauens im digitalen Bereich unerlässlich ist, die Fragmentierung des digitalen Binnenmarktes zu überwinden, indem die Offenheit des Internets und die Netzneutralität im EU-Recht verankert werden. Dies soll dafür sorgen, dass der Datenverkehr im Internet gleich behandelt wird, ohne dass es zu Diskriminierung, Einschränkung oder Interferenz kommt.
Mit dieser Position geht das Parlament auf Konfrontationskurs zum EU-Rat. Das Gremium der Staats- und Regierungschefs innerhalb Europas vertritt die Ansicht, dass es den Providern überlassen sei, mit den Endnutzern Vereinbarungen zu den kommerziellen und technischen Bedingungen des Internetzugangs zu treffen. Weder bei Inhalten, Anwendungen noch Internetdienstleistungen soll es politische Vorgaben geben; allerdings müssen die Provider sicherstellen, dass ausreichende Bandbreite vorhanden sei und die Verfügbarkeit sowie Qualität des Netzes nicht erheblich beeinträchtigt werde. Wie dieser Konflikt zwischen EU-Parlament und EU-Rat gelöst wird, bleibt abzuwarten.
In den USA sind hingegen die Würfel bereits gefallen. Dort hat die Federal Communications Commission (FCC) Ende Februar 2015 der Unsicherheit über die Zukunft des offenen Internets ein Ende gesetzt und Regeln verabschiedet, mit denen die Netzneutralität zementiert werden soll. Demnach untersagt die FCC gleich drei verschiedene Praktiken, nämlich Blocking (Provider dürfen den Zugang zu legalen Inhalten, Anwendungen, Diensten oder unschädlichen Geräten nicht unterbinden), Throttling (Provider dürfen den Datenverkehr nicht beeinträchtigen) und Paid Prioritization (Provider dürfen ausgewählte Datenströme auch gegen Entgelt nicht bevorzugen). Kurz gefasst: eine Überholspur für Datenverkehr gibt es nicht. Um dies gesetzlich sicherzustellen, wird »broadband Internet access service« als Telekommunikationsdienstleistung im Sinne von Title II des »Communications Act« gefasst und Section 706 entsprechend angepasst. Der Verein Digitale Gesellschaft begrüsste diese Entscheidung ausdrücklich:
Die FCC hat heute eine historische Entscheidung für die Freiheit, Offenheit und Innovationskraft des Netzes getroffen”,
so Geschäftsführer Alexander Sander.
Europa muss nun mit den USA gleichziehen und das Internet als öffentliches Gut anerkennen, statt weiter ein Zwei-Klassen-Netz zu befördern, das die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Online-Wirtschaft bedroht”.