Welche Domain hätten's denn gern? Oder: die Lücken im .info-Challenge-Verfahren.

Sie möchten eine Domain wie auto.info, recht.info oder europa.info? Ja?! Aber, die sind doch längst alle vergeben … Genau! Und das ist Ihre Chance:

Ihre Chance heißt: .info-Challenge-Verfahren, das schiedsgerichtliche Verfahren vor der WIPO (World Intellectual Property Organisation) in Genf für all die .info-Domains, die im Sommer im Rahmen der sog. Sunrise Period registriert wurden. Das einzige, was Sie benötigen ist ein Internet-Zugang und 295 US-Dollar.

Doch von vorn: wir alle wissen, dass im Rahmen der Sunrise Period zahlreiche (v.a. beschreibenden) .info-Domains ohne entsprechende Markennummern registriert worden sind. Nach deutscher Rechtssprechung auch völlig in Ordnung, denn bei rein beschreibenden Domains gilt der Grundsatz „frist come, first served“. Aber eben nicht im Einklang mit den Vergaberichtlinien von Afilias. Doch darum kümmerten sich nicht viele, und am allerwenigsten Afilias selbst, so hat es zumindest den Anschein. Die Rettung sollte die sog. Challenge Period bringen, exklusiv durchgeführt von der WIPO. Hier kommt dann – so jedenfalls die Vorstellung von Afilias – wieder alles ins Lot. Doch das WIPO-Verfahren versagt gerade bei den beschreibenden Domains genauso, wie schon die Sunrise Period keine „gerechte“ Zuteilung bringen konnte.

Nehmen wir mal an, Rudi Völlers Team hätte die WM-Qualifikation nicht geschafft. Endlich hat Ihre Stunde geschlagen: Sie sind der ersehnte Heilsbringer für den deutschen Fußball. Sie koksen nicht, haben volles Haar, ein Superkonzept und wollen damit groß im Internet rauskommen. Wie die Faust aufs Auge würde da die Domain fussball.info passen. Tja, schon weg, und Markenrecht haben Sie auch keins. Macht aber nix, macht gar nix: Sie stellen einfach einen Antrag auf ein Challenge-Verfahren vor der WIPO.

Auf dem im Internet bereitgehaltenen Formular wird man Sie dann fragen, ob Sie einen Löschungsantrag (Cancellation) oder einen Transferantrag stellen wollen. Um die Domain im Rahmen eines Transferantrags übertragen zu bekommen, müssten Sie allerdings selbst die Voraussetzungen aus der Sunrise Period erfüllen, also unter anderem ein Markenrecht an dem Wort „Fußball“ geltend machen können. Nachdem sich allerdings schon vorher offensichtlich kaum jemand um diese Vorgaben gekümmert hat (gäbe es sonst ein Challenge-Verfahren?), muss die Frage erlaubt sein: warum jetzt?

Da wir wissen, dass wir nur ehrliche Leser haben, hier etwas zur Beruhigung Ihres Gewissens: Sie wären damit in bester Gesellschaft. Von den bisher mehr als 600 bei der WIPO eingegangenen Challenge-Verfahren sind Anträge auf Löschung (Cancellation) eher als exotische Ausreißer einzustufen. Oder glauben Sie, dass es weltweit nur ein Geldinstitut gibt, das ein Recht an bank.info hat?!

Sollten Sie nun immer noch nicht dazu durchgerungen haben, die Alternative „Transferantrag“ (anstelle von „Löschung“) zu wählen, bitten wir Sie mit dem Lesen dieses Artikels aufzuhören. Stattdessen empfehlen wir Ihnen zur Lektüre den wohl autobiographischen Roman eines nicht unbekannten deutschen Nachrichtensprechers mit dem Titel „Der Ehrliche ist der Dumme“.

Kann nun der jetzige Domain-Inhaber nicht nachweisen, dass er die Domain fussball.info in Übereinstimmung mit den Voraussetzungen der Sunrise Period registriert hat, wird die WIPO Ihrem Antrag auf Transfer entsprechen. Ob Sie selbst die „besseren Rechte“ an dem Namen „fussball.info“ haben, interessiert also niemanden. Sie bekommen dann nach etwa fünf bis sechs Wochen per eMail einen „Authorization Code“ mitgeteilt. Dieser Authorization Code ist Ihr „Schlüssel zum Glück“. Denn damit können Sie dann beim Registrar Ihrer Wahl die Domain auf sich registrieren lassen. Auch der Registrar führt keine Prüfung Ihrer Rechte durch, schließlich kann die neue Vergabe der Adresse wiederum durch „Multiple Challenges“ in einem weiteren Verfahren bei der WIPO angegriffen werden …

Doch das Ganze geht nicht endlos: am 26. Dezember 2001 ist CH-Day. Nein, kein neuartiger Schweizer Nationalfeiertag, obwohl die WIPO ja ihren Sitz in Genf hat. Am 26. Dezember ist Challenge Day: die Challenge Period endet, weitere Anträge werden nicht mehr angenommen. Der einzige, der nach diesem Datum die Vergabe noch angreifen kann, ist der Verlierer aus dem letzten Verfahren. Aber da mit jedem erneuten Verfahren wieder die Gebühren bei der WIPO fällig werden, wird auch der irgendwann aufgeben. Das Gute hat also wieder gesiegt: Sie haben die Domain, und Deutschland wird Fußball-Weltmeister!

Zugegebenermaßen stand ICANN bei der Einführung neuer Top Level Domains vor einem großen Problem: wie sollten beschreibende Domains gerecht verteilt werden? (Der Vorschlag, sie unter den ICANN-Direktoren zu verteilen, wurde bald wieder verworfen.)

Vergleichend kann der von .biz-Vergabestelle NeuLevel beschrittene Weg herangezogen werden. Dort hat man die WHOIS-Daten getreu dem Motto „no WHOIS, no trouble“ monatelang gar nicht erst veröffentlicht. Und die Konfliktregelung trägt daher hier schlicht und einfach die sinnige Bezeichnung STOP (Start-Up Trademark Opposition Policy). Nachteil NeuLevel’s .biz-Domains ist allerdings, dass man mit einem Fuß im Knast steht, da man sich in Kalifornien niedergelassen hat und dort nun mit dem Vorwurf der illegalen „Domain-Lotterie“ zu kämpfen hat.

So kann man nur vorschlagen, alle Vergabestellen nach Las Vegas umziehen zu lassen: irgendwie, so scheint es, sind Domains ohnehin ein Teil eines riesigen Glücksspiels.

Weiterführende Links:

Das WIPO-Challenge-Formular
> https://webaccess.wipo.int/domains/sunrise/challenge.html

Spezialisierte Anwälte
> http://www.domain-anwalt.de

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