Viel Sonne, zuviel Schatten – rund drei Wochen nach dem Start von Phase II der Sunrise Period für die neue europäische Top Level Domain .eu (dotEU) fällt das erste Zwischenfazit überwiegend positiv aus. Als Quelle vieler Fehler erweist sich jedoch nach wie vor das Validierungsverfahren.
Mit bisher etwa 290.000 Anmeldungen für 210.000 Domains stösst das Sunrise-Verfahren bisher auf großen Zuspruch und beweist seine Notwendigkeit. Für etwa 140.000 Anmeldungen gingen bisher beim Validation Agent PWC in Brüssel die Nachweisdokumente ein und werden dort derzeit geprüft. Vor einem massenhaften Missbrauch warnt nun allerdings die Freiburger nicit IT-Solutions GmbH. Mit angeblichen Horrorzahlen wie „9 Registranten haben 75% aller 100 Top-Domains“ und „98% Markenfakes“ hat nicit unter eudomaindesaster.org eine Protest-Plattform online gestellt und ruft zur Unterschriftenaktion auf. Erbost zeigt man sich insbesondere über die Vielzahl an generischen Domain-Namen wie tickets.eu, hotels.eu oder casino.eu, die sämtlich bereits in Phase I vergeben wurden, obwohl ihre Eintragung als Marke in der Regel nur schwer möglich ist. Unterstützung lieferten Markenschnellanmeldungen in den Beneluxländern, wo Begriffe wie „boo K“ oder „Hote&L“ teils binnen weniger Tage angemeldet und eingetragen werden konnten. Hier wurden Lücken der Sunrise Rules, nach denen Leer- und Sonderzeichen ersetzt oder gestrichen werden können, offenbar gezielt ausgenutzt.
Alternativ macht sich die Protestaktion dafür stark, dass nur Inhaber älterer Rechte, deren Rechte vor der Veröffentlichung des .eu-Regelwerkes bereits bestanden haben, Domains anmelden können; im übrigen sollten häufig nachgefragte generische Begriffe verlost oder versteigert werden. Letztlich bleiben jedoch auch hier praktische Probleme, da sich häufig nachgefragte generische Begriffe nicht abschließend benennen lassen. Zuzugeben ist, dass eine Stichtagsregelung wie bei .info vorsätzlichem Grabbing viel Wind aus den Segeln genommen, allerdings aufgrund der Vielzahl von potentiellen früheren Rechten für die Praxis eine Vielzahl neuer Probleme (und Umgehungsmöglichkeiten) geschaffen hätte.
Offensichtlich unterschätzt werden nach wie vor die formalen Hürden der Anmeldung. So fällt auf, dass bei insgesamt derzeit etwa 25.000 erfolgreichen Anträgen bereits knapp 5.000 von PWC zurückgewiesen wurden, also etwa 20 Prozent aller Anmeldungen. Ob zusammengeheftete Unterlagen, zusätzliche Deckblätter mit Anschreiben, fehlende Seitenzahlen, ein schlecht ausgedrucktes Coversheet – die Fehlerquellen sind vielfältig. Besonderes Augenmerk sollte man deshalb Abschnitt 8, Ziffer 6 der Sunrise Rules (.pdf) schenken; versteckt und oft übersehen ist auch Ziffer 3 dieser Vorschrift, wonach der Nachweis zu paraphieren ist, also auf jeder Seite mit einem (handschriftlichen) Namenszeichen versehen werden muss. Hinzu kommen die materiellen Hürden, also der Nachweis der eigenen Rechte anhand geeigneter Dokumente wie etwa Markenurkunden oder Handelsregisterauszügen. Soweit EURid Auszüge aus offiziellen (!) Datenbanken zulässt, sollte diese Möglichkeit auch genutzt werden; sie gewährleisten im Gegensatz zur bloßen Kopie der Markenurkunde zum Beispiel bei seit langer Zeit eingetragenen Marken, dass das Recht aktuell noch besteht.
Wer auf Nummer Sicher gehen will, sollte sich spezialisierten Rates von Anwälten bedienen; oft genug verweist EURid gescheiterte Antragsteller auf die Möglichkeit, es doch einfach mit einer zweiten Anmeldung zu versuchen. Gerade bei den begehrten Domains mit einer ganzen Reihe von Interessenten bleibt diese theorethische Möglichkeit praktisch jedoch ohne Wert.