Skandal

NSI nahm Domains in Geiselhaft

Das Domain-Jahr 2008 hat seinen ersten handfesten Skandal: der Ex-Monopolist Network Solutions (NSI), einer der fünf weltweit grössten Domain-Registrare, nutzte die Suchanfragen seiner Kunden für das heftig umstrittene Domain-Tasting.

Das Phänomen ist altbekannt, die Masche neu: beim so genannten Domain-Tasting werden Domain-Namen für wenige Tage registriert und mit Parkingseiten verlinkt. Erweisen sie sich als profitabel, behält der Inhaber die Domains; sind sie dagegen unattraktiv, stösst er sie ab, bevor Gebühren für die Domain-Registrierung fällig werden. Möglich macht dies eine 5-tägige „grace period“, die mit Erstregistrierung der Domain beginnt und innerhalb derer sie gegen Erstattung der Gebühren wieder gelöscht werden kann. Damit kann praktisch ohne wirtschaftliches Risiko die Attraktivität der Domain – gemessen an der Zahl der Aufrufe und der geklickten Links – getestet werden, was sich vor allem Domain-Spekulanten zu Nutze machen.

Im Fall von NSI sucht jedoch nicht ein Domainer oder der Registrar die Testdomains aus, sondern der Kunde: wie Leser des Domain-Forums domainstate.com entdeckt haben, sichert sich NSI jene Domains, nach denen Kunden gesucht, sie jedoch nicht sofort registriert haben. So gab ein Nutzer in die NSI-Suchmaske die Adresse network-solutions-registers-all-names-searched.com ein, ohne sie zu registrieren, um dann Minuten später festzustellen, dass die Domain auf NSI angemeldet worden war. Dabei war es dem Nutzer zwar weiterhin möglich, die Domain unmittelbar über NSI zu registrieren; wählte er jedoch einen anderen Registrar, weil ihm die Preise von NSI zu teuer waren, zeigte eine Suchanfrage an, dass die Webadresse vergeben sei, so dass nur die Möglichkeit blieb, die Domain teuer bei NSI anzumelden. Erst nach Ablauf der vier Tage konnte der Registrar wieder frei gewählt werden. Um Kennzeichenrechte schert sich NSI dabei wenig: so sichert man sich auf entsprechende Suchanfragen auch Domains wie ibm-microsoft-dell.com, von deren Anmeldung jedem unberechtigtem Internetnutzer im Hinblick auf die Verletzung von Namens- und Markenrechten nur abgeraten werden kann. Auch einen Namen hat diese Masche bereits: nach einem aus dem Handel mit Aktien bekannten Modell wurde sie „front running“ getauft.

NSI hat auf die Vorwürfe inzwischen reagiert. Vizepräsident Jonathon Nevett räumt sie ein, führt jedoch zur Erklärung an, dass es sich um ein Sicherheitsinstrument handelt, mit dem man die Kunden vor Missbrauch schützen will. Zwar registriere man die Domain, verdiene damit aber kein Geld. Diese Praktik nehme dem Kunden die Furcht, dass die Domain von Dritten im Rahmen von „front running“ weggeschnappt werde. Doch obwohl Gerichtsurteile hierzu nicht bekannt sind, stösst diese „Schutzmaßnahme“ auf ernste juristische Bedenken. So hält die US-Kanzlei Traverse Legal das Modell für Betrug und einen Verstoß gegen das Verbraucherrecht der US-Staaten. Es sei daher nur eine Frage der Zeit, bis die Sache vor Gericht lande. Im übrigen liege die Lösung auf der Hand, selbst wenn man die Bedenken von NSI für begründet hält: so würde es zum Schutz des Kunden gegen Domain-Tasting ausreichen, wenn NSI die Domain nicht vier Tage, sondern nur vier Minuten für sich behält. Bei NSI scheint man sich daher nun dem Druck beugen zu wollen: der „Schutzmechanismus“ ist bis auf weiteres von der WHOIS-Suchseite entfernt worden.

Zur Geschichte des Domain-Tasting finden Sie bei circleid.com weitere Informationen.

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