Vorratsdaten

Kommt doch kein "Quick-Freeze"?

Die Diskussion um die Wiedereinführung einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung hält an: bei einem Treffen der Innenministerkonferenz (IMK) wurde deutlich, dass man das von Justizminister Marco Buschmann bevorzugte Quick-Freeze-Verfahren für unzureichend hält.

Die Rechtslage schien geklärt: mit Urteil vom 20. September 2022 hatte der EuGH seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung unvereinbar mit EU-Recht sind, da das Unionsrecht einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten wie zum Beispiel IP-Adressen entgegensteht. Ausnahmen erkannte das Gericht nur in wenigen Fällen an, die sich aus dem Schutz der nationalen Sicherheit, der Bekämpfung schwerer Kriminalität und der Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit ergeben. Diese Rechtsprechung hat der EuGH in Sachen »La Quadrature du Net« wegen französischer Regelungen zum Schutz von geistigem Eigentum im Internet nach eigenen Angaben präzisiert, im Ergebnis aber gelockert. Mit Urteil vom 30. April 2024 (Az. C‑470/21) entschied der EuGH, dass die allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von IP-Adressen nicht zwangsläufig einen schweren Eingriff in die Grundrechte darstellt. Danach ist die Vorratsdatenspeicherung zulässig, wenn die nationale Regelung Speichermodalitäten vorschreibt, die eine wirksame strikte Trennung der verschiedenen Kategorien personenbezogener Daten gewährleistet und es damit ausschließt, dass genaue Schlüsse auf das Privatleben der betreffenden Person gezogen werden können. Unter diesen Voraussetzungen kann die Vorratsdatenspeicherung auch dann zulässig sein, wenn es »nur« um die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet geht. Die EU-Mitgliedstaaten können zudem unter bestimmten Bedingungen der zuständigen nationalen Behörde Zugang zu den Identitätsdaten gewähren, die IP-Adressen zuzuordnen sind, sofern eine solche, die strikte Trennung der verschiedenen Datenkategorien gewährleistende Vorratsspeicherung sichergestellt worden ist.

Nach der Ankündigung von Justizminister Marco Buschmann, die Möglichkeit einer anlassbezogenen Sicherungsanordnung für Verkehrsdaten (»Quick-Freeze«) einzuführen, ging es bei einem Treffen der IMK, das vom 19. bis 21. Juni 2024 in Potsdam stattfand, in die umgekehrte Richtung. Nach Angaben von heise.de sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU):

Die Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen muss endlich eingeführt werden. Das sind wir den Opfern von Terror, sexuellem Missbrauch und anderen Formen von Hass und Gewalt schuldig.

Die IMK sehe »das Quick-Freeze-Verfahren von Telekommunikationsdaten als unzureichend an«, führte Stübgen aus und stellte sich damit gegen das »Quick-Freeze«-Verfahren.

Denn wo nichts in der Gefriertruhe ist, kann auch nichts eingefroren werden.

Schon im April 2024 soll Stübgen im Namen seiner Amtskollegen hervorgehoben haben:

Auch der Europäische Gerichtshof hält die Vorratsdatenspeicherung für notwendig, um die Identität eines Täters zu ermitteln, der Kinderpornografie erworben, verbreitet, weitergegeben oder im Internet bereitgestellt hat.

Auch das Bundeskriminalamt war zu der Einschätzung gekommen:

Für die Identifizierung eines noch unbekannten Tatverdächtigen selbst bietet das Quick-Freeze-Verfahren keinen Nutzen, sofern die relevanten Daten zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens nicht mehr oder unvollständig gespeichert sind.

Die Innenministerkonferenz fordert die Bundesregierung weiterhin auf, unverzüglich einen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung vorzulegen. Zudem hat der Deutsche Richterbund (DRB) den Druck für eine Vorratsdatenspeicherung erhöht. DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn sagte:

Der Europäische Gerichtshof hat der Politik einen europarechtskonformen Weg für eine eng begrenzte Mindestspeicherung von IP-Adressen gewiesen. Diesen Kompromissweg sollte die Bundesregierung jetzt beschreiten und eine rechtsstaatlich eingehegte, auf vier Wochen befristete Speicherpflicht für IP-Adressen und zugehörige Port-Nummern auf den Weg bringen.

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