ACTA, nein danke: mit großer Mehrheit hat das EU-Parlament in der vergangenen Woche gegen das unter dem Namen Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) bekannt gewordene Abkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie gestimmt. Doch die Nachfolger sind schon in den Startlöchern.
Mit dem Ziel, geistiges Eigentum besser zu schützen, hatten sich die Europäischen Union, ihren Mitgliedsstaaten, Australien, Kanada, Japan, die Republik Korea, die Vereinigten Mexikanischen Staaten, Marokko, Neuseeland, Singapur, der Schweiz und die Vereinigten Staaten von Amerika auf ein Handelsübereinkommen verständigt, um so international für einen effektiveren Schutz von Urheberrechten zu sorgen. Doch während Länder wie Kanada, Japan und die USA das Abkommen bereits unterschrieben haben, regte sich in Europa erheblicher Widerstand, da man Einschränkungen von Bürgerrechten befürchtete. Vor allem im Internet drohte aufgrund zu vager Formulierungen Gefahren für Datenschutz und Meinungsfreiheit; überdies wurde vor allem der meist intransparente und nichtöffentliche Verhandlungsverlauf kritisiert. In einem knappen Monat sammelte die US-amerikanische Internet-Plattform Avaaz mehr als 2,4 Millionen Online-Unterschriften gegen das Abkommen. Der (laut Eigenbeschreibung des EU-Parlaments) noch nie einem solchen Ausmaß betriebene Lobbyismus nahm dabei die unterschiedlichsten Formen an: mit Straßendemonstrationen, eMails an Abgeordnete und Anrufe in deren Büros protestierten die Bürger und forderten weltweit die Abgeordneten auf, ihre Zustimmung zu verweigern.
Zumindest im EU-Parlament hatte dieser Protest Erfolg: am 04. Juli 2012 stimmten 478 Abgeordnete des EU-Parlaments gegen das Abkommen, nur 39 dafür; 165 Abgeordnete enthielten sich. Zum ersten Mal hat das Parlament damit von seinem im Lissabon-Vertrag verankerten Recht Gebrauch gemacht und ein internationales Handelsabkommen abgelehnt, so dass ACTA innerhalb der EU nicht in Kraft treten kann; weder die EU noch einzelne EU-Mitgliedstaaten können dem Abkommen beitreten. Noch im Mai 2012 hatte die Europäische Kommission ACTA an den Europäischen Gerichtshof verwiesen und das Parlament gebeten, auf ein entsprechendes Urteil zu warten. Solange wollten die Abgeordneten jedoch nicht warten, zumal sich in den vergangenen Monaten fünf Ausschüsse gegen das Abkommen aussprachen.
Der renommierte Freisinger Rechtsanwalt Thomas Stadler warnt jedoch vor all zu großer Freude. In einem Blog-Eintrag wies er darauf hin, dass vieles, was ACTA fordert, innerhalb der EU längst durch die so genannte »Enforcement«-Richtlinie (Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums) aus dem Jahre 2004 umgesetzt worden ist; deren Evaluierung ist im Gange, wobei die Einbindung von Internetprovidern als eine Art Hilfspolizist erneut auf der Tagesordnung steht. Und auch die »European Digital Rights«-Initiative der G8-Staaten hat einen Beschluss zum besseren »Schutz geistigen Eigentums« veröffentlicht, der auf die umstrittene ACTA-Vereinbarung folgen soll. Ein Ende des Protests ist daher nicht abzusehen.