Tony Kirsch, Head of Professional Services beim Back-End-Provider Neustar Inc., hat ICANN scharf attackiert: in einem Blog-Beitrag mit der Überschrift »Genug ist genug« forderte er die Internet-Verwaltung auf, einen Stichtag für ein weiteres Bewerbungsfenster um neue generische Top Level Domains festzulegen.
Gut drei Jahre sind vergangen, seit ICANN am 17. Dezember 2015 die New gTLD Subsequent Procedures Working Group ins Leben gerufen hat, um die Erfahrungen aus der Einführungsrunde im Jahr 2012 auszuwerten und so den Weg für die nächste Runde freizumachen. Doch während es ICANN durch den Druck der EU-Datenschutzgrundverordnung geschafft hat, binnen weniger Monate konkrete Ergebnisse für die WHOIS-Reform zu liefern, tut sich in Sachen nTLDs kaum etwas. Für Kirsch ist das ein Unding, aber auch der Beleg dafür, dass ICANN könnte, wenn man unter dem Druck einer Deadline zum Handeln gezwungen sei. Daher fordert er auch für die nächste nTLD-Einführungsrunde einen fixen Stichtag, bis zu dem über das nächste Bewerbungsfenster entschieden ist. Ganz uneigennützig ist der Vorstoß von Kirsch dabei nicht. Neustar, Registry unter anderem der US-Länderendung .us, betreibt aktuell das technische Back-End für 271 nTLDs, mit .loan und .club darunter die beiden zahlenmäßig erfolgreichsten neuen Endungen. Insgesamt verwaltet man rund 5,86 Millionen Domains, was einem Marktanteil von etwa 22 Prozent entspricht. Erfolgreicher ist derzeit nur CentralNic mit rund 7,2 Millionen verwalteten Domains. Mit jeder weiteren neuen Endung steigt also die Möglichkeit für Neustar, zusätzliche Geldquellen zu erschließen.
Mit seinem Vorhaben ist Kirsch nach eigenen Angaben bei Cherine Chalaby vorstellig geworden, Chair des ICANN-Boards. Dieser habe ihm mitgeteilt, das
Board was ready and as soon as the community completed their work, [they] will be ready to review it.
Derzeit befasst sich die »Subsequent Procedures Working Group« mit zahlreichen Kommentaren und Stellungnahmen, die nach Veröffentlichung eines Zwischenberichts eingegangen waren; laut einer Veröffentlichung von ICANN erwarte man, dass wesentliche Abwägungen demnächst begonnen werden. Dies lasse nach Einschätzung von Kirsch auf ein Bewerbungsfenster im Jahr 2020 schliessen. Bis dahin müssen aber unter anderem zumindest der Working Group Final Report, der GNSO Council Report to the ICANN Board und der ICANN Board Resolution Text verabschiedet werden; ausserdem steht die Überarbeitung des umfangreichen Bewerberhandbuchs (Applicant Guidebook) aus.
ICANN selbst hat bisher keinen Fahrplan für die nächste Einführungsrunde veröffentlicht. Erst wenn der Schlussbericht der »Subsequent Procedures PDP Working Group« vorliegt, will sich der ICANN-Vorstand mit weiteren Schritten befassen. Demgemäß wird für das derzeit laufende Meeting im japanischen Kobe keine Entscheidung erwartet. Auf eine Deadline wird Kirsch also noch eine ganze Weile warten müssen.