Netzsperren

US-Kongress beugt sich dem Druck

Der Widerstand gegen die Pläne der beiden Kammern des US-Kongresses zur Einrichtung von Domain-Sperren scheint Erfolg zu haben: eine für den gestrigen Mittwoch angesetzte Anhörung vor dem Repräsentantenhaus wurde kurzfristig abgesetzt.

Gleich zwei aktuelle Gesetzesvorhaben des US-Kongresses haben das Potential, die rechtliche Stellung von Domain-Inhabern maßgeblich zu beschneiden. Während sich der Senat mit dem PROTECT IP Act of 2011 (PIPA) befasst, liegt dem Repräsentantenhaus der Stop Online Piracy Act (SOPA) zur Entscheidung vor. Beide Gesetzesentwürfe zielen darauf ab, zum Schutz sowohl vor Urheber- als auch Markenrechtsverletzungen Zugriff auf das Domain Name System zu nehmen. So soll im Rahmen des PIPA etwa allein die Behauptung, eine ausländische Internetseite diene Verletzungshandlungen, dazu ausreichen, um per Gerichtsbeschluss alle US-amerikanischen Internet Service Provider, Domain-Registries und -Registrare sowie Betreiber von DNS-Servern dazu zu verpflichten, die Domain nicht mehr aufzulösen und so unerreichbar zu machen. Unter welcher Top Level Domain die Domain registriert ist, spielt keine Rolle; folglich wären auch Angebote unter .de betroffen. Nicht nur ICANN-Aufsichtsrat Steve Crocker wies darauf hin, dass derartige Filter schwere Schäden für das DNS nach sich ziehen und zu Ausweichtechniken führen könnten, so dass der bisherige Namensraum aufhört, zu funktionieren. Aus wirtschaftlichen Interessen könnten US-Händler und -Banken dazu gezwungen werden, Geschäfte mit bestimmten Domains zu unterbinden, wobei sich die Inhaber dieser Domains erst im Rahmen von langwierigen Gerichtsverfahren gegen die Sperre wenden könnten. Und nicht zuletzt greifen solche Maßnahmen auch in die verfassungsmäßige garantierte »freedom of speech« ein. Der SOPA sieht in seiner jetzigen Entwurfsform sogar vor, dass es zu Gunsten von Markeninhabern eines Gerichtsbeschlusses zur Durchsetzung einer Domain-Sperre gar nicht bedarf.

Nachdem zunächst zahlreiche namhafte Unternehmen wie Burberry, Dolce & Gabbana, Electronic Arts, Ford Motor Company, GlaxoSmithKline oder LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton dem Gesetzesvorhaben ihre Unterstützung zusagten, entlud sich der Zorn der Internet-Community am Registrar GoDaddy, der ebenfalls zu den Befürwortern zählte. In Scharen kündigten sie ihre Domains und zogen zu anderen Registraren um; nach inoffiziellen Angaben soll GoDaddy an einem Tag knapp 30.000 Domains verloren haben. Das Unternehmen sah sich daraufhin gezwungen, zurück zu rudern und teilte öffentlich mit, SOPA nicht länger zu unterstützen. Auch die US-Tochter des deutschen Hosters 1&1 wandte sich per eMail an ihre Kunden, um darauf hinzuweisen, dass man beiden Gesetzesentwürfen ablehnend gegenüberstehe. Inzwischen haben unter anderem Wikipedia und WordPress durch zeitweise Abschaltung öffentlichkeitswirksam protestiert.

Offensichtlich ist der Protest im Internet bei der US-Politik angekommen. War zunächst für den 18. Januar 2012 eine Anhörung vor dem „House Committee on Oversight and Government Reform“ angesetzt, gab nun der Vorsitzende Darrell Issa kurzfristig deren Absetzung bekannt. »Ein Gesetz voller Fehler wird vom Haus nicht aufgegriffen«, so Issa. Man habe die Stimme des Internets gehört; es sei sehr viel mehr Hintergrundwissen des US-Kongresses über das Internet notwendig, um ein praxisnahes und allgemein akzeptiertes Gesetz zu schaffen. Auch der Senat wolle innerhalb der nächsten beiden Wochen nachziehen. Kurzfristig ist die Gefahr für Domain-Inhaber damit gebannt; man sollte jedoch nicht darauf vertrauen, dass die Gesetze in der weiteren Diskussion untergehen.

Quelle: stanfordlawreview.org, thedomains.com

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