Zensursula

Netzsperren-Gesetz liegt auf Eis

Das „Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen“ (Zugangserschwerungsgesetz) liegt vorerst auf Eis: ein Anwendungserlass soll das Bundeskriminalamt (BKA) vorerst daran hindern, Listen mit zu sperrenden Domain-Namen zu erstellen.

Im Zuge der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP ist bekannt geworden, dass sich die künftige Regierung im Fall des Zugangserschwerungsgesetzes auf eine Aussetzung geeinigt hat. Die Arbeitsgruppe zur Innen- und Rechtspolitik hat sich demnach darauf verständigt, dass das BKA Angebote mit kinderpornographischen Inhalten zunächst löschen und nicht nur sperren soll. Umgesetzt werden soll dies durch einen so genannten Anwendungserlass; dieses an das Steuerrecht erinnernde Instrument soll besagen, dass das BKA keine Listen mit zu sperrenden Domain-Namen erstellt und solche Listen auch nicht weitergibt. Stattdessen soll das BKA in die Meldestellen von eco beziehungsweise INHOPE eingebunden werden, um kinderpornographische Inhalte zu löschen. Die Regelung soll vorerst für ein Jahr gelten.

Doch juristisch unproblematisch ist dieser Weg über einen Anwendungserlass nicht. Nach Einschätzung des Freisinger Rechtsanwalts Thomas Stadler, der unter anderem den AK Zensur vertritt, handelt es sich um eine rechtsstaatlich äußerst fragwürdige Lösung, weil es nicht Sache der Exekutive ist, über die Anwendung eines Gesetzes zu entscheiden; als Behörde ist das BKA daran gebunden, Gesetze zu beachten und damit Sperrlisten zu erstellen. Möglicherweise wird sich auch noch der Bundespräsident in die Debatte einschalten: Formaljuristisch ist das Zugangserschwerungsgesetz zwar von Bundestag und Bundesrat beschlossen; und nachdem von Seiten der EU keine Einwände erhoben wurden, will das Bundeswirtschaftsministerium nach Informationen der FAZ das Gesetz „unverzüglich“ über das Kanzleramt dem Bundespräsidenten zuleiten, so dass das Gesetz noch im November 2009 in Kraft treten könnte. Jedoch darf der Bundespräsident das Gesetz auf formelle und offensichtliche materielle Verfassungsverstöße prüfen und so die Unterzeichnung verhindern. Köhler hat davon sowohl im Fall des Flugsicherungsgesetzes als auch des Verbraucherinformationsgesetzes Gebrauch gemacht, beide Gesetze hielt er nicht für mit dem Grundgesetz vereinbar. Derartige Argumente ließen sich auch für das Zugangserschwerungsgesetz finden. Sollte Köhler auch diesmal die Unterschrift verweigern, tritt das Gesetz also gar nicht erst in Kraft.

Unterdessen hat Innenminister Wolfgang Schäuble laut einer Meldung der Nachrichtenagentur DPA „handwerkliche Fehler“ beim Zugangserschwerungsgesetz eingeräumt. Das Gesetz sei im Endspurt des Wahlkampfes auch deshalb entstanden, um die CDU gegenüber anderen Parteien abzusetzen. Gleichwohl sollten sich die Gegner von Netzsperren nicht zu früh freuen: voraussichtlich erst in einem Jahr wird sich das Schicksal des Gesetzes klären. Und der nächste Wahlkampf kommt bestimmt.

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