Netzverwaltung

Herbe Kritik an Netmundial

ICANN-CEO Fadi Chehadé erfährt mit seinen Bemühungen im Rahmen der »NetMundial Initiative« bisher wenig Gegenliebe: teils vernichtende Kommentaren von Internetnutzern zeigen, wie viel Arbeit in Sachen „Internet Governance“ noch vor ihm liegt.

Unter Leitung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff und mit maßgeblicher Unterstützung von Chehadé hatten sich am 23. und 24. April 2014 in Sao Paulo Vertreter verschiedenster Interessengruppen getroffen, um die Zukunft der Netzverwaltung zu diskutieren. Ein halbes Jahr später schlossen sich ICANN, die brasilianische Regierungsinitiative CGI.br sowie die gemeinnützige Stiftung des Weltwirtschaftsforums (WEF) zu einer »open source platform« zusammen, die sich als Sprachrohr für alle nicht-technischen Themen der Internet-Verwaltung versteht. Geführt wird die Plattform von einem »Coordination Council«, das 25 Mitglieder haben soll, davon (in Anlehnung an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen) fünf ständige Vertreter und 20 weitere Interessengruppen, die sich nach vier Sektoren und fünf Regionen aufteilen. Zu den ständigen Vertretern gehören ICANN, CGI.br sowie das WEF; zudem teilten sie jeweils einen Sitz dem Internet Governance Forum (IGF) sowie den »I-Star organizations«, also IETF, IAB, ISOC und den fünf Regional Internet Registries RIPE NCC, ARIN, APNIC, LACNIC und AfriNIC, zu. Unter netmundial.org schaltete man eine eigene Website und bat die Nutzer um Stellungnahme, welche Themen ihnen für die weitere Arbeit wichtig seien.

Bei den knapp 25 Personen, die bisher von der Möglichkeit zum Kommentieren Gebrauch gemacht haben, hält man von »NetMundial Initiative« allerdings nicht viel. »Gib auf und geh heim«, so ein Nutzer in drastischen Worten. Es fehle Netmundial an jeglicher Glaubwürdigkeit, es sei ein erbärmlicher und gescheiterter Versuch, die Macht im Internet zu ergreifen. Etwas sachlicher, aber wenig besser merkte ein anderer Nutzer an, dass die Initiative schlicht nicht benötigt werde. Die US-Handelskammer gab zu Protokoll, dass man ohne Änderungen in der Verwaltungsstruktur zu keiner Unterstützung bereit sei; der Start sei im Hinblick auf die Bemühungen um mehr Transparenz und Koordinierung mindestens unglücklich. Von einem »Spielzeug Chehadés« sprach ein weiterer Nutzer; ein anderer schloss mit den Worten, dass Netmundial bisher so viel Substanz gezeigt habe wie eine Cocktail-Party beim Treffen des WEF in Davos. Bei den etwas ernsteren Zuschriften reichen die Wünsche von mehr Sicherheit im Cyberspace über Netzneutralität, die Betonung von Menschenrechten, Meinungsfreiheit, Datenschutz, offene Standards bis hin zu mehr Internetzugang in Entwicklungsländern und einer Stärkung des Verbraucherschutzes.

Die Kommentare mögen nicht repräsentativ sein; da sich bisher aber vorwiegend nur jene Nutzer engagieren, die grundsätzlich ohnehin Interesse am Thema »Internet Governance« haben, kann ihnen die Relevanz nicht abgesprochen werden. Sämtliche Diskussionen um die Zukunft der Netz-Verwaltung kranken dennoch daran, dass sie zu abstrakt sind. Die Nutzer merken nicht, wie wichtig sie für ein funktionierendes Internet ist – bis es zu spät ist und das ursprünglich anarchische Internet im Rahmen staatlicher Regulierung und Überwachung seiner letzten Freiheit beraubt ist. Bis zum ersten Treffen der »NetMundial Initiative« am 31. März 2015 bleibt wenig Zeit, um das zu ändern.

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