.mobi

gefährden neue Top Level Domains das Internet?

ICANN wird Ende diesen Jahres über die Einführung neuer Top Level Domains wie .mail, .travel und .mobi entscheiden. Neue, so genannte sponsored (von Interessengruppen getragene) Top Level Domains sind gewiss, es fragt sich nur noch, welche. Dagegen erheben sich Stimmen aus der Technikerszene. Eine Erklärung von Internetvater Tim Berners-Lee heizt die Diskussion an.

Tim Berners-Lee wendet sich, unterstützt von der W3C Technical Advisory Group, in einem öffentlichen »Brief« gegen die Einführung von insbesondere .mobi, einer speziell für mobile Geräte wie Notebooks, PDAs und Mobiltelefone gedachte neue Domain-Endung. Denn die verlange andere Kodierung und spalte damit das Internet. Davon abgesehen destabilisiere die Implementierung neuer Top Level Domains das Gefüge der Rootserver und damit das Internet selbst. Insgesamt, so Berners-Lee, stehen die Vorteile in keinem Verhältnis zu den Kosten und den Risiken. Ins Kalkül zieht man auch die bekannten Effekte, dass Kennzeicheninhaber zur Sicherung ihrer Rechte und zum Schutz vor Domain-Gabbern immer mehr Domains registrieren müssen, was bei Konzernen weniger Probleme verursacht als bei kleinen Unternehmen mit geringen finanziellen Mitteln. Damit geht einher, dass es eben doch nicht zwingend mehr Domain-Inhaber gibt, weil dieselben die immer gleichen Domains registrieren. Zudem gibt es einen allgemeinen Preisverfall, der den Domain-Handel für Händler weniger lukrativ macht.

Anders sieht das Karl Auerbach, ehemaliges Mitglied des ICANN-Board und bekannter ICANN-Kritiker, der in einer Stellungnahme unter dem Titel »Techies wanna do policy« die Ausführungen Berners-Lees auseinander nimmt. Ihm und der W3C Technical Advisory Group unterstellt Auerbach, als Techniker hätten sie keine Kompetenzen für eine Gesamtbetrachtung. Über technische Problem könnten sie sicher – wenn auch begrenzt – urteilen, aber andere wichtige Kriterien bei der Entscheidung für die Erweiterung des Adressraums, wie soziale, juristische und wirtschaftliche Belange, die man etwaigen technischen Risiken gegenüber stellen müsse, stehe ihnen nicht an. Die Haltung der Techies erinnere an die der alten Telefonmonopole, sie provoziere einen Innovationstau. Die Ingenieure der alten Telefonunternehmen hatten eine natürliche Abscheu gegen Innovation, denn sie waren ziemlich Stolz auf das, was sie geschaffen hatten. Dieser Stolz bewahrte sie leider davor, Weiterentwicklungen oder ganz neue Innovationen zuzulassen. Alles in Allem sei die Innovationsfähigkeit im Internet schnell verschwunden.

Man sollte meinen, aus Erfahrung werde man klug. Aber im Internet und im wirklichen Leben sieht das anders aus. ICANN will neue Top Level Domains implementieren, trotz angeforderter aber noch immer fehlender oder nicht ausgewerteter Erfahrungsberichte über die vor drei Jahren eingeführten Top Level Domains, zugleich scheint man tatsächlich vorhandene praktische Erfahrungen mit den neuen Top Level Domains einfach nicht wahrnehmen zu wollen: Die Einführung der sponsored Top Level Domains wie .museum, .coop und .aero hat etwa zwei Jahre, nachdem sie online gegangen sind, für den normalen Internetnutzer keinerlei Bedeutung erlangt. Im Grunde sind sie tot. Warum also weitere solche Top Level Domains ans Netz bringen? Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund. Interessengruppen brauchen keine eigene Domain-Endung, um unter sich zu klüngeln. Anders sieht es für Endungen wie .info und .biz aus, die sich recht gut etablieren konnten. Deutlich besser stehen da die Aussichten für .eu, die spätestens im Frühjahr 2005 online sein wird und sicherlich innerhalb kürzester Zeit mehr Registrierungen als .info und .biz zusammen aufweisen wird.

Neue Top Level Domains sind unausweichlich, aber man sollte in der Tat mehr Sorgfalt bei deren Auswahl an den Tag legen. Dass ICANN da der richtige Entscheider ist, darf man bezweifeln. Aber man kann auch Stellung zu den angebotenen neuen Top Level Domains nehmen und ICANN in seiner Entscheidung beeinflussen.

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