Der Weg aus der Domain-Krise?

In den vergangenen Wochen gab es vor allem ein Thema: Die Neueinführung von sieben Top Level Domains (TLD). Das große mediale Interesse daran war vorhersehbar, denn die Anzahl an kurzen und prägnanten Domains wird weltweit immer kleiner. Vor allem in Verbindung mit „berühmten“ TLDs wie .com oder.de gibt es kaum mehr sinnvolle Buchstabenkombinationen von weniger als fünf Zeichen.

Die Verhandlungen zur Einführung neuer Top Level Domains haben sich über mehrere Jahre gezogen – im Internet ein äußerst langer Zeitraum. Solche Beschlüsse sind zugegebenermaßen nicht einfach zu treffen. Wer kann heute sagen, wie das Globale Dorf in fünf Jahren aussehen wird? Werden die User über das Handy, den PC, den Fernseher oder gar den Kühlschrank online gehen? Wird das im Internet verwendete TCP/IP-Protokoll genügend Adressen (max. ca. 4.3 Milliarden) für den weltweiten Bedarf zur Verfügung stellen können? Werden die Domain-Registrierungen auch weiterhin exponentiell zunehmen und mit ihnen die Rechtsstreitigkeiten? Werden die domainrechtlichen Auseinandersetzungen spezialisierte Anwälte zu Millionären machen und viele Domainbesitzer in die Schuldenfalle treiben? Diese und ähnliche Überlegungen sollte die ICANN (The Internet Corporation for Assigned Names and Numbers), die für die Vergabe neuer TLDs verantwortlichen ist, in ihre Entscheidungen einfließen lassen.

Im vergangenen Herbst war es soweit: ICANN beschloss die Einführung von .aero, .biz, .coop, .info, .museum, .name und .pro. Der Wirtschaftsjurist Florian Huber schreibt dazu: „Die Entscheidungsprozesse bei ICANN sind und bleiben undurchsichtig. Und warum kam es nicht zur Einführung von den allseits favorisierten .web und .shop? Auch der Sinn von .aero bleibt den meisten Usern wohl verborgen.“ Um der Aufgabe einer weltweiten demokratischen Verwaltungseinrichtung für Domainnamen und IP-Adressen gerecht zu werden, muss ICANN demokratischer und transparenter werden. Die Wahlen im vergangenen Jahr waren ein erster Schritt in diese Richtung – leider durften die fünf neu gewählten Direktoren bei der Einführung der sieben neuen Domain-Endungen noch nicht mitentscheiden.

Bis es zur tatsächlichen Einführung der neuen TLDs kommen wird, sind noch einige juristische Auseinandersetzungen zu klären. Z.B. der Rechtsstreit der Atlantic Root Network Inc. mit ICANN über die TLD .biz oder die Klagen von Unternehmen, deren vorgeschlagene TLDs von ICANN abgelehnt wurden. Bezüglich der Endungen .travel, .one, .i, .web, .nom, .geo und .xxx wurde die ICANN ersucht, ihre Ablehnung nocheinmal zu überdenken. Doch selbst wenn alle sieben TLDs planmäßig im Frühjahr dieses Jahres eingeführt werden, ist eine Entspannung der „Domainkrise“ nicht in Sicht. Sieben neue TLDs decken nicht den Bedarf an „guten“ Domains und schaffen mit Sicherheit weitere Auseinandersetzungen mit Markeninhabern. Daran wird sich auch dann nicht viel ändern, wenn der rechtliche „Anspruch“ einer Domain vor der Registrierung bewiesen werden muss (z.B. bei .aero, .coop und .museum) oder eine sog. „Sunrise Period“ eingeführt wird, in welcher Domains einen bestimmten Zeitraum lang ausschließlich von Personen registriert werden dürfen, die gewisse Kriterien erfüllen (z.B. Besitzer einer Marke oder einer Second Level Domain unter einer anderen TLD).

Es ist anzunehmen, dass kaum ein Unternehmen die bisherigen Adressen freigeben wird (z.B. findet man die Web-Seite von der Academy of Television Art & Sciences seit Mitte letzten Jahres unter emmys.tv; die bisherige Domain emmys.org bleibt aber weiterhin im Besitz der Akademie). Die etablierten TLDs haben nun mal einen großen Bekanntheitsgrad, während neu eingeführte Adressen erst einmal bekannt gemacht werden müssen. Solange die User nicht intuitiv lufthansa.aero eingeben, sondern lufthansa.de oder lufthansa.com, bleibt die unbekannte TLD zweite Wahl. Mit der Zeit werden die Surfer wahrscheinlich TLD-orientierter suchen – und vielleicht bmw.auto oder handy.shop in die Adresszeile des Browsers tippen.

Doch bis es soweit ist, werden noch viele Datenpakete die Netze durchwandern und so manches domainrechtliche Urteil sowie mancher Domainverkauf für Aufsehen sorgen. In diesem Sinne: „Profit Neujahr!“

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