Ist iBranding wettbewerbswidrig? Aspekte der BGH-Entscheidung mitwohnzentrale.de

Wie in der Vergangenheit immer wieder erwähnt, ist die Entscheidung „mitwohnzentrale.de“ nicht ohne. Die Richter des BGH hatten überflüssigerweise einen Satz in die Entscheidungsgründe gesetzt, der für das Urteil nicht notwendig war und erhebliche Folgen nach sich zieht. Dies zu Korrigieren, wird die Aufgabe des BGH bei nächster Gelegenheit sein.

Am Ende von Ziffer 2. der Entscheidungsgründe heißt es bei der Prüfung eines Wettbewerbverstoßes nach § 1 UWG: „Darüber hinaus kann sich die Registrierung eines Gattungsbegriffs als Domain-Name dann als mißbräuchlich erweisen, z.B. wenn der Anmelder die Verwendung des fraglichen Begriffs durch Dritte dadurch blockiert, daß er gleichzeitig andere Schreibweisen des registrierten Begriffs unter derselben Top-Level-Domain (hier „de“) oder dieselbe Bezeichnung unter anderen Top-Level-Domains für sich registrieren läßt.“

Bereits in einer Stellungnahme im Oktober 2001 zum Urteil, hatten wir zu Bedenken gegeben: „Der Inhaber von Gattungsbegriffdomains muss nach Ansicht des BGH der Konkurrenz Raum schaffen. Er darf keine Monopolstellung über die Registrierung mehrerer Domains herstellen. Die Frage der Rufausbeutung, wenn ein Konkurrent die Bindestrichvariante einer Domain aufgreift, ist damit in den Brennpunkt gerückt. Eigentlich muss das sogenannte Trittbrettfahren nicht geduldet werden, das hatte das LG Düsseldorf in dem Rechtsstreit über die Domain „klug-suchen.de“ (Beschluß vom 5. Januar 1999, Az. 34 O 2/99) entschieden. Unter Zugrundelegung solcher Rechtsprechung führt die BGH-Entscheidung „mitwohnzentrale.de“ ins Leere, es sei denn, man interpretiert sie dahingehend, dass Trittbrettfahren von jetzt an erlaubt ist.“

Dass Trittbrettfahren zukünftig erlaubt sein wird, darf bezweifelt werden. Wie sieht es nun aber für Unternehmen aus, die ein ausgesuchtes und sinnvolles Domain-Portfolio haben, das mehrere wichtige Top Level Domains (TLDs) sowie Varianten unter den einzelnen TLDs abdeckt? Verhalten die sich wettbewerbswidrig? Man mags kaum glauben. Zur Erinnerung: wir sprechen von Gattungsbegriff-Domains („mitwohnzentrale.de“, „autovermietung.com“ usw.) und nicht von Phantasiebegriff-Domains („lumpaia.de“, „salponte.de“).

Zunächst darf man sich aufgrund der Ausführungen des BGH fragen, welche Anzahl anderer Schreibweisen von Domain-Namen zur Blockierung führen und also mißbräuchlich sind. Dazu schweigt der BGH. Zudem ist nichts dazu gesagt, ob auch Synonyme darunter fallen, deren Vorhandensein beispielsweise in der Entscheidung „autovermietung.com“ des LG München starken Einfluß genommen haben. Da Domains wie „autoverleih.com“, „mietwagen.com“ usw. als Ausweichmöglichkeit vorhanden waren, sah das Gericht keine Monopolisierung seitens des Inhabers von „autovermietung.com“.

Doch bringt einen das weiter, wenn es sich doch eher um die grundsätzliche Frage handelt, ob man irgendwann zu einer wettbewerbswidrigen Monopolisierung durch die Registrierung anderer Schreibweisen eines Domain-Namen kommt, bzw. kommen sollte? Danach kann man sich je nach Ergebnis auch fragen, wann die wettbewerbswidrige Monopolisierung eintritt.

Zur Prüfung sind die Grundsätze des § 1 UWG, soweit sie für Internet-Domains relevant sind, heranzuziehen. Wir haben Sie zu einem früheren Zeitpunkt bereits besprochen. Zur Erinnerung, § 1 UWG lautet:

„Wer im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbes Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden.“

Die Rechtsprechung hat den Begriff der guten Sitten im Rahmen von § 1 UWG definiert und Fallgruppen gebildet, die die Rechtsfindung erleichtern. So zählt zu den beim Domain-Recht in Betracht kommenden Erwägungen die Frage, ob das Handeln des Domain-Inhabers eine zu missbilligende Behinderung darstellt. Sie liegt vor, wenn die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Unternehmens unter Abwägung der Interessen der Beteiligten nach Anlass, Zweck, Inhalt und Bedeutung der Maßnahme nicht zu rechtfertigen ist.

Zu Unterscheiden sind individuelle Behinderungen und allgemeine Marktbehinderungen. Wie dem Begriff individuelle Behinderung zu entnehmen ist, wird ein Einzelner – im Domain-Recht – durch die Registrierung von Domains behindert. Konkurrenten, die branchenorientierte Domains für ihr Branding registrieren, behindern damit immer den anderen. Der Domain-Inhaber tritt zwischen seinen Konkurrenten und dessen Kunden, um letzteren abzufangen. Darin sah das hOLG Hamburg in dem Rechtsstreit „mitwohnzentrale.de“ eine nachhaltige Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Der BGH sieht das zu Recht anders: „Nach der Rechtsprechung liegt ein unlauteres Abfangen von Kunden daher nur dann vor, wenn sich der Werbende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung des Kaufentschlusses aufzudrängen.“ Das ist aber im besagten Streit nicht der Fall. (Ausführlich dazu hier.)

Von einer individuellen Behinderung kann im Fall „mitwohnzentrale.de“ nicht ausgegangen werden, da der Domain-Name gewissermaßen neutral ist. Ein potentieller Neu-Kunde kann als Internetnutzer, wenn er den Domain-Namen eingibt noch nicht als Kunde eines der konkurrierenden Anbieter angesehen werden.

Aber der BGH geht weiter:

„Voraussetzung eines Behinderungswettbewerbs nach § 1 UWG ist stets eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber. Da eine solche Beeinträchtigung jedem Wettbewerb eigen ist, muß freilich noch ein weiteres Merkmal hinzutreten, damit von einer wettbewerbswidrigen Beeinträchtigung und (…) von einer unzulässigen individuellen Behinderung gesprochen werden kann: Wettbewerbswidrig ist die Beeinträchtigung im allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, den Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch zu verdrängen. Ist eine solche Zweckrichtung nicht festzustellen, muß die Behinderung doch derart sein, daß der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann.“

Nun müßte man fragen, wie die allgemeinen Umstände im Internet sind, um beurteilen zu können, ob der vom BGH beschriebene Fall eintritt.

Ein bedenkenswertes Kriterium bei der Beurteilung der Behinderung im Internet ist der Umstand, dass es in aller Regel mehr Unternehmen gibt, die auf Kundensuche sind, als sinnvolle generische Begriff-Domains, über die der Kunde den Anbieter erreicht. Mithin werden immer irgendwelche Konkurrenten durch die Registrierung von Domains ausgeschlossen, also individuell behindert. Dass sie dann aber gegen einen der Konkurrenten erfolgreich Ansprüche geltend machen können, kann ausgeschlossen werden.

Warum sollte für den einzelnen Konkurrenten etwas anderes gelten, wenn lediglich einer alle relevanten Domains registriert hat? Die Situation ist doch aus der Sicht des domain-losen Konkurrenten letztlich identisch. Daran ändert sich auch nichts an der Art der registrierten Gattungsbegriffdomains: seien es nun der selbe Begriff unter verschiedenen Top Level Domains oder Begriffsvarianten unter einer Top Level Domain. – Ein Problem liegt allerdings darin, dass, wenn lediglich einer alle interessanten Domains inne hat, der Wettbewerb unter Umständen verzerrt wird. Der suchende potentielle Kunde wird unter allen Domain-Varianten auf den immer selben Anbieter stoßen. Hier liegt dann eine allgemein Marktbehinderung nahe. Aber wann trifft man den Fall, dass ein Unternehmen alle relevanten Domains besitzt – wann könnte das überhaupt der Fall sein? (Womit wir wieder bei der Eingangsfrage wären, wo denn die Grenze der Wettbewerbswidrigkeit in dem vom BGH skizzierten Fall liegt?)

Bei der Gesamtbetrachtung der Gegebenheiten im Internet muss aber mit ins Kalkül gezogen werden, dass der Internetnutzer, der sich durch Eingabe eines Gattungsbegriffs in die Adresszeile des Internetseitenbetrachters im Internet bewegt, weiss, dass das Ergebnis ein Sache des Zufalls ist. So sah es ja auch richtig der BGH in „mitwohnzentrale.de“. Und andererseits ergibt sich bei unterschiedlichen Schreibweisen der Domain für den Nutzer der Vorteil, um zu dem Unternehmen seines Vertrauens zu kommen, muss er sich nicht die genaue Schreibweise merken, mit den Varianten kommt er auch zum Ziel.

Zudem darf nicht übersehen werden, dass gerade das Internet über die Suchmaschinen sicher stellt, dass die unterschiedlichen Anbieter zum Zuge kommen. Auf diese Weise ist für den Wettbewerb im Internet gesorgt. Jeder Anbieter, wenn er nur überlegte Metaeinträge auf seiner Webseite unterbringt und entsprechende Anmeldungen bei Suchmaschinen vornimmt, hat Aussicht auf gute Positionen in Suchergebnissen. Dass es daran zur Zeit leider noch hapert, haben Untersuchungen gezeigt: Das Frageverhalten der Internetnutzer wird bei den Metaeinträgen auf den Webseiten nicht genügend berücksichtigt. Aber besteht eine Regulierungspflicht über die Gerichte, wenn Unternehmen ihre eigenen Möglichkeiten nicht ausschöpfen?

Bleibt die Frage: Ist die systematische Registrierung aller in Betracht kommender Varianten einer Domain ein Verstoß gegen § 1 UWG? Soweit ein berechtigtes Interesse des Domain-Inhabers an den Domains besteht (siehe zum berechtigten Interesse den Artikel zu § 1 UWG), finden wir nur schwerlich einen Wettbewerbsverstoß. Gerade das Internet erlaubt über seine Vielfältigkeit immer den Wettbewerb und gewährt ihn auch beim Domain-Horten von einzelnen Anbietern (und nicht von Domain-Grabbern!). Diese Möglichkeiten müssen aber verständig genutzt werden, von den Anbietern und den Nutzern.

Jedoch spricht die BGH-Rechtsprechung zur Zeit eine andere Sprache, die so frei interpretierbar ist, dass ihre Grenzen nicht bekannt sind. Das bedeutet einen erheblichen Unsicherheitsfaktor für Anbieter im Internet. Ihnen kann auch nicht geholfen werden, denn wer wüßte zu sagen, wann die vom BGH nichtgesetzten aber genannten Grenzen überschritten werden, wann die Registrierung eines Gattungsbegriffs als Domain-Name sich als mißbräuchlich erweist, der Anmelder die Verwendung des fraglichen Begriffs durch Dritte dadurch blockiert, dass er gleichzeitig andere Schreibweisen des registrierten Begriffs unter derselben Top-Level-Domain oder dieselbe Bezeichnung unter anderen Top-Level-Domains für sich registrieren lässt?

Hier gilt es, seinen eigenen Branding-Strategien treu zu bleiben und unter Umständen durch die Instanzen zu gehen, damit der BGH die Möglichkeit erhält, seine Rechtsprechung zu überdenken.

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