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Heise-Verlag siegt vor BVerfG

Das Bundesverfassungsgericht hat im Streit zwischen heise.de und der Verwertungsindustrie die Verfassungsbeschwerde letzterer gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Oktober 2010 nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 15.12.2011, Az.: 1 BvR 1248/11). Das BGH-Urteil ist damit rechtskräftig. Im Rahmen einer meinungsbildenden und informationenverschaffenden Online-Berichterstattung durfte heise.de auf einen Anbieter von Kopiersoftware verlinken.

In einem Online-Artikel am 19. Januar 2005 berichtete heise.de über den Softwarehersteller Slysoft, der mit AnyDVD eine Applikation anbietet, die es ermöglicht, den Kopierschutz von CDs und DVDs zu umgehen. Das ließ sich jedoch die Musik- und Filmindustrie, die ihr geistiges Eigentum verletzt sah, nicht gefallen und verlangte die Unterlassung der Berichterstattung und der Verlinkung. Da heise.de dem nicht nachkam, sondern in weiteren Artikeln dieses Unterlassungsbegehren darstellte und wieder die Seiten von SlySoft verlinkte, klagten die Betroffenen. Zuletzt hatte der Bundesgerichtshof die Klage abgewiesen. Der BGH wog die Rechte der Klägerinnen gegen die der Beklagten ab und gelangte zu der Ansicht, den Klägerinnen stehe kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu, denn die Handlungen der Beklagten seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt (Urteil vom 14. Oktober 2010, Az.: I ZR 191/08). Im einzelnen meinte der BGH, die Links in den beanstandeten Artikeln hätten nicht nur eine technische Funktion, sie sind darüber hinaus in die Beiträge und in die in ihnen enthaltenen Stellungnahmen als Belege und ergänzende Angaben eingebettet. Damit sind sie nicht nur vom Gewährleistungsgehalt der Pressefreiheit, sondern auch von der Meinungsfreiheit erfasst. Die Klägerinnen wandten sich mit einer Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht gegen das BGH-Urteil. Sie rügten eine Verletzung ihres durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten geistigen Eigentums, unter anderem damit, dass das Urteil des BGH „an einem Abwägungsdefizit“ leide.

Das Bundesverfassungsgericht nahm die Rüge nicht zur Entscheidung an. Nach seiner Auffassung liegt hier kein von ihm zu entscheidender Fall vor: Die Abwägung, die der Bundesgerichtshof vorgenommen hat, ist bei Zugrundelegung anerkannter presserechtlicher und urheberrechtlicher Maßstäbe des Verfassungsrechts nicht zu beanstanden. Schon aber, dass die Klägerinnen sich lediglich dagegen wenden, dass die Abwägung nicht zwingend wie vom BGH vorgenommen hätte ausfallen müssen, reicht für eine Verfassungsbeschwerde nicht aus. Angriffspunkt einer Verfassungsbeschwerde sind in einem solchen Falle, dass »abwägungsrelevante Umstände oder Rechtspositionen nicht oder fehlerhaft berücksichtigt oder grundrechtsrelevant fehlgewichtet wurden«. Der BGH habe aber beanstandungsfrei zwischen den im Raum stehenden Rechten abgewogen. Das Ergebnis hätte verfassungsrechtlich vertretbar auch anders ausfallen können. Das spricht aber nicht gegen die Abwägung des BGH. Das BVerfG stimmt mit dem BGH überein, dass die Linksetzung nicht auf eine technische Dienstleistung zu reduzieren und isoliert zu betrachten, sondern deren informationsverschaffender Charakter mit zu erwägen sei, da der am grundrechtlichen Schutz teilhabe. Das BVerfG stützt zudem die Ansicht des BGH, dass der Inhalt einer verlinkten Internetseite nicht schon aufgrund der Verlinkung zur vom Presseorgan geäußerten eigenen Meinung wird, und dass die Verlinkung die Urheberrechtsverletzung nicht vertiefe, denn der Leser könne die Seite des Softwareherstellers auch über eine Internetsuche leicht finden. Auch die Auffassung der Klägerinnen, der BGH sei von seiner Rechtsprechung abgewichen, reiche nicht für eine Verfassungsbeschwerde aus. Das BVerfG meint, dass selbst wenn eine Abweichung von früherer Rechtsprechung vorläge, so begründe das für sich genommen kein grundrechtlich relevantes Abwägungsdefizit. Alles in allem bestätigte das BVerfG die Entscheidung des BGH und erklärte die eigene Entscheidung für unanfechtbar.

Mit seiner Entscheidung stützt das Bundesverfassungsgericht das Presserecht und die Meinungsfreiheit im Internet gegenüber Inhabern von Verwertungsrechten. Aber Vorsicht, wie das BVerfG auch bemerkt, kann eine Abwägung der in Frage stehenden Grundrechtspositionen auch zu Gunsten der Inhaber von geistigem Eigentum ausfallen – und das sicher in vielen Fällen völlig zu Recht.

Eine Dokumentation des gesamten Rechtsstreit findet man bei heise.de.

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