UDRP

Streit um viking.com wegen Vertragsunklarheiten

Die Aurelius Group, ein Konzern mit 23 Töchtern, hatte im Jahr 2016 die europäischen Geschäfte einer anderen Unternehmensgruppe erworben und dabei übersehen, dass die Domain viking.com nicht vom Vertrag umfasst war. Nun versuchte sie, in einem UDRP-Verfahren an die Domain zu kommen.

Beschwerdeführerin ist die Aurelius RHO GTM Development Limited mit Sitz in Irland, die im Dezember des Jahres 2016 die europäischen Geschäfte der Beschwerdegegnerin gekauft hatte. Die Gegnerin ist die 1986 gegründete Office Depot Inc. mit Sitz in den USA, die sich 1998 mit der Viking Office Products Inc. zusammengeschlossen hatte und dabei unter anderem die Domain viking.com erlangte. Bei der Übernahme der europäischen Geschäfte der Gegnerin durch die Beschwerdeführerin war die Domain viking.com nicht miteinbezogen. Die Beschwerdeführerin wurde Inhaberin zahlreicher Marken »Viking«, die im europäischen und internationalen Raum registriert sind. Sie sieht nun ihre Markenrechte durch die Nutzung der Domain viking.com verletzt. Nach ihrer Auffassung sei beim Kauf der europäischen Geschäfte vereinbart worden, dass alle Marken und Domains von Europa aus verwaltet werden sollten. Zwar sei die Domain viking.com nicht in der Anlage des Übernahmevertrages aufgelistet, doch gäbe es eine »wrong pockets«-Vereinbarung, wonach geistiges Eigentum, welches sich auf Europa bezieht, ebenfalls auf die Beschwerdeführerin übertragen werde. Dazu zähle auch viking.com, weshalb die Beschwerdeführerin die Gegnerin ansprach und um die Domain bat.

Die Gegnerin lehnte dankend ab und erklärte, sie erwäge die Domain an einen Dritten zu verkaufen. Dem entnahm die Beschwerdeführerin, die Gegnerin wolle sie so in eine Zwangslage bringen, damit sie die Domain kaufe. Sie meint, die Gegnerin nutze die Domain unberechtigt und bösgläubig. Die Gegnerin hielt entgegen, sie habe die Domain gutgläubig erworben und im Zusammenhang mit Viking Büroartikeln für 15 Jahre gutgläubig genutzt. Zu dieser Zeit sei sie Mitinhaberin zahlreicher Viking-Marken gewesen und teilweise auch noch, über die ihr verbundene Viking Office Products Inc., womit ihre Rechten deren der Beschwerdeführerin lange vorausgingen. Die Beschwerdeführerin habe ihr vor Erhebung der UDRP-Beschwerde zahlreiche Kaufangebote hinsichtlich der Domain gemacht. Das stehe im Widerspruch zu der Behauptung, eigentlich gehöre die Domain aufgrund der »wrong pocket«-Vereinbarung ihr. Schließlich erhob die Gegnerin noch den Vorwurf des Reverse Domain Name Hijackings.

Das Entscheidungsgremium für das UDRP-Verfahren wurde mit drei Mitgliedern besetzt: dem bulgarischen Rechtsanwalt Assen Alexiev, dem irisch-australisch-neuseeländischen Juristen Alistair Payne und dem US-amerikanischen Rechtsanwalt Evan D. Brown. In einer langen Entscheidung wiesen die drei die Beschwerde der Aurelius RHO GTM Development Ltd. zurück und stellten ein Reverse Domain Name Hijacking fest (WIPO-Case No. D2017-2174). Im Hinblick auf die Identität von Marke und Domain hatten die Entscheider kein Problem, die stellten sie kurzerhand fest. Doch bei der Frage nach dem Nichtbestehen eines Rechts oder von berechtigten Interessen an der Domain auf Seiten der Beschwerdegegnerin scheiterte die Beschwerdeführerin. Dem Vorwurf einer Nichtberechtigung habe die Gegnerin nachvollziehbar und überzeugend entgegnet, dass sie die Domain ursprünglich berechtigt nutzte und aufgrund bestehender Markenrechte nach wie vor berechtigt nutzt. Die Domain viking.com war in der Liste der zu übertragenden Rechte des Übernahmevertrages über die europäischen Geschäfte der Gruppe, deren Teil die Gegnerin war, nicht enthalten. Eine Vereinbarung hinsichtlich der Domain legte keine der Parteien vor. Für das Entscheidungsgremium ergab sich auch kein Hinweis, dass die streitige Domain unter die »wrong pocket«-Vereinbarung fiel, da dem die Behauptung der Gegnerin entgegenstehe, die Domain viking.com sei von dem Vertrag nicht umfasst gewesen. Das Gremium war der Ansicht, diese Fragen seien letztlich zu komplex für ein UDRP-Verfahren und sollten vor einem ordentlichen Gericht geklärt werden. Jedenfalls scheitere die Beschwerdeführerin bereits an der zweiten Voraussetzung der UDRP.

Das Gremium prüfte gleichwohl noch die Frage der Bösgläubigkeit seitens der Gegnerin, die sie aufgrund der Umstände problemlos verneinen konnte. Die Beschwerdeführerin argumentiere, die Absicht der Gegnerin, viking.com an einen Dritten verkaufen zu wollen, bringe sie in Zugzwang: es würde durch einen Verkauf die Weiterleitung der Domain auf die eigene Webseite viking-direct.co.uk beenden. Davon liess sich das Gremium nicht beirren: die Gegnerin habe die Domain lange Jahre berechtigter Weise genutzt und registriert. Bösgläubigkeit bei Registrierung der Domain sei auf Seiten der Beschwerdegegnerin schlichtweg nicht ersichtlich. Und da Bösgläubigkeit bei Registrierung und Nutzung kumulativ gegeben sein müsse, sei die Voraussetzung für die Bösgläubigkeit nicht gegeben. Sodann war noch die Frage des Reverse Domain Name Hijacking zu klären. Da die Beschwerdeführerin in keiner Weise vernünftig darstellen konnte, dass ihre Gegnerin die Domain bösgläubig habe registrieren können, sei dies der überzeugende Punkt für das Vorliegen eines Reverse Domain Name Hijacking. Schaut man sich die Sache im Ganzen an, wird auch klar, dass keinerlei Basis für einen solchen Vorwurf gegeben sei. Dies allein reiche für die Annahme eines Reverse Domain Name Hijacking aus. Somit wies das Gremium nicht nur die Beschwerde zurück, sondern bestätigte auch den Vorwurf des Reverse Domain Name Hijacking.

Die Entscheidung ist kein glücklicher Ausgang für einen bereits bei einem umfänglichen Vertrag gemachten Fehler. Seinerzeit hätte geklärt werden müssen, was mit der Domain viking.com bei der Übernahme der europäischen Geschäfte der Gegnerin passieren solle. Möglicherweise wurde das auch geklärt, die Domain war im Vertrag nicht gelistet, und man wollte das später nicht wahr haben. Der zweite Fehler ergab sich wahrscheinlich aus dem Umstand, dass man sich zur Führung des UDRP-Verfahrens keines externen Spezialisten bediente, sondern die Beschwerdeführerin die eigene Rechtsabteilung an die Sache setzte. Für die Gegnerin ging die Sache in mehrfacher Hinsicht gut aus: nicht nur wurde die Beschwerde zurückgewiesen und der Vorwurf des Reverse Domain Name Hijacking bestätigt, man konnte auch einen Kaufvertrag über viking.com mit einem Dritten abschließen. Die Domain befindet sich mittlerweile in den Händen der Kreuzfahrtlinie Viking und leitet auf vikingcruises.com weiter.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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