Domain-Recht in Deutschland

Ein Ausblick von Jens Bücking Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Technik/Stuttgart, Stuttgart

Der nun eingeschlagene Weg der Rechtsprechung hin zu einer Parallelbewertung der Internetdomain als Netzadresse und namensmäßigen Kennzeichnung (bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Besonderheiten des Mediums) dürfte sich weiter konsolidieren. Parallel hierzu werden neue Felder aufgetan. All dies vollzieht sich außerhalb und ­ solange DENIC seine Funktionen sachgerecht und effizient ausführt, also insbesondere nicht in Konflikt mit dem GWB (Kartellgesetz) gerät ­ m. E. auch ohne die Notwendigkeit spezialgesetzlicher Regelungen. Im Einzelnen:

Nachdem die Doppelfunktion der Domain anerkannt ist, wird sich in der Rechtsprechung weiter die Überzeugung durchsetzen, dass bei kennzeichenrechtlichen Streitigkeiten stets auch auf die Branchennähe bzw. die Nähe der beworbenen Waren und/oder Dienstleistungen abzustellen ist. Bei der noch nicht mit informativen Inhalten geführten Website ist eine solche Beurteilung schwierig, dürfte sich aber in offensichtlichen Missbrauchsfällen hilfsweise über § 1 UWG bzw. §§ 826, 226, 823, 1004 BGB lösen lassen. Die Frage des kennzeichenrechtlichen Abstandsgebotes wird sich an den Besonderheiten des flachen, eindimensionalen Namensraums im Internet orientieren müssen. Gleiches gilt für die schutzrechtsbegründende Nutzung der Domain (vgl. OLG München im Fall „kueche-online.de„).

Das Gattungsdomain-Problem ist auch mit der Mitwohnzentrale.de-Entscheidung nicht vollständig gelöst: In Zukunft wird es wohl darum gehen, ob eine Irreführung der Nutzer i. S. von § 3 UWG vorliegen könnte, insbesondere wenn eine Allein- oder Spitzenstellung suggeriert wird.

Auf der Ebene des Rechtsfolgenausspruchs dürfte sich die Erkenntnis durchsetzen, dass eine Übertragung der Domain nicht geschuldet ist. Auch ein Schlechthinverbot, also die uneingeschränkte Aufgabe der Registrierung, wird wegen des Erfordernisses der konkreten Verwechslungsgefahr (Waren/Dienstleistungen/Branche) in aller Regel nur dann in Betracht kommen können, wenn Missbrauchsfälle vorliegen oder aber wenn ein vernünftiger Restbereich einer geschäftlichen Betätigung außerhalb der Gefahr von Verwechslungen seitens des Inhabers schlechterdings ausgeschlossen erscheint.

Im einstweiligen Rechtsschutz werden sich die Gerichte mit der Frage auseinandersetzen müssen, zu welchem Verhalten der Antragsgegner verpflichtet werden kann ­ die Aufgabe der Registrierung käme der Vorwegnahme der Hauptsache gleich ­ und inwieweit die Untersagung einer Nutzung auf dem Beschlusswege überhaupt vollstreckbar ist.

Bei der Vollstreckung dürfte sich ferner die Überzeugung verdichten, dass eine Pfändung von Internetdomains grundsätzlich zulässig ist, sofern der Inhaber nicht aus seiner Position verdrängt wird, sondern nur eine zeitlich befristete Verwertung ­ etwa durch Domain-Sharing ­ stattfindet.

Nachdem höchstrichterlich anerkannt ist, dass DENIC für seine im öffentlichen Interesse liegende Tätigkeit keine Prüfungspflichten zugemutet werden können, wird sich die Thematik der Mitstörerschaft auf die einzelnen Providergesellschaften verlagern: Ob hier in gleichem Maße eine Befreiung von Kontrollpflichten, die eine Störerschaft ausschließen würden, in Betracht kommt, ist noch ungeklärt. Auch die Frage der Passivlegitimation von Admin-C und Tech-C, insbesondere für den Fall der Unerreichbarkeit des Domain-Inhabers, bleibt von Interesse.

Auf internationaler Ebene wird sich durch die Einführung der neuen Top Level Domains die Zahl der Rechtsstreitigkeiten eher multiplizieren. Das angestrebte Ziel, eine Diversifikation ­ und damit eine Entspannung der Namenskonflikte ­ zu bewirken, dürfte sich als illusorisch erweisen. Angesichts der recht eindeutigen Spruchpraxis zur fehlenden Unterscheidungskraft von Top Level Domains werden insbesondere die als Ausweichdomains zum COM-Level angedachten Info- und Biz-Domains schwerlich eine das darunter abrufbare Angebot identifizierende (und mithin von anderen Namensträgern abgrenzende) Funktion übernehmen können.

Künftige Entwicklungen sehe ich vor allem in der Frage, ob DENIC ­ ein Providerzusammenschluss, der auch vor dem Hintergrund der §§ 1 ff. GWB manche Frage offen lässt ­ Wettbewerb um die DE-Domain eröffnen muss ­ dies ­ ähnlich dem Vorbild der internationalen ICANN-Liberalisierungsreform (vgl. z.B. den erbitterten Wettbewerb um die Vergabe der Com-Domains) ­ bzw. zur Gewährung der Teilhabe an seiner Infrastruktur verpflichtet ist, was mit Blick auf den neuen § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB naheliegend erscheint. Auch ist anerkannt, dass Marktbeherrscher nachfragekonform anbieten müssen. So stellt sich die Frage, warum beispielsweise auf internationaler Ebene die Registrierung reiner Ziffernkombinationen (siehe „01051.de„) im Unterschied zur DE-Ebene möglich ist. Unternehmen wie AT&T, C&A und H&M hätten ebenso wie der Duftwasser-Hersteller 4711 ein schutzwürdiges Interesse an der netzkonformen Ausgestaltung ihres bekannten Kennzeichens gerade auch als DE-Domain. Diese spannenden Fragen werden den Wirtschaftsjuristen und Domainrechtler noch über längere Zeit beschäftigen.

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