AG Frankfurt/M

keine Vorab-Zensur bei Blogs

Das Amtsgericht Frankfurt/Main hat sich mit Fragen der Meinungsfreiheit in und der Haftung von Administratoren von Weblogs auseinandersetzen dürfen (Urteil vom 16.07.2008, Az.: 31 C 2575/07-17) und kam zu einem sehr erfreulichen Ergebnis: Die Meinungsfreiheit wird für nichtgewerbliche, politische Weblogs groß geschrieben, um eine Vorab-Zensur zu verhindern.

Der Beklagte ist als technischer Betreuer eines Weblogs benannt. Auf diesem hatte ein Nutzer des Weblogs in einem Eintrag über den Kläger geschrieben und unter anderem ausgeführt, dass der Kläger „es gar nicht möge als (?) und rassistisch bezeichnet zu werden“; zudem benutzte der Autor des Eintrags mehrfach den Begriff „Hassprediger“ und den Vornamen Adolf in Bezug auf den Kläger. Ein Leser teilte in einem Kommentar die Telefonnummer des Klägers mit; die wurde von einem Administrator gekürzt, der hinzusetzte: „Keine Telefonnummer von (?) etc.“

Der Kläger forderte durch seinen Rechtsvertreter den Beklagten auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Mit diesem Schreiben setzte er den Beklagten in Kenntnis von der rechtswidrigen Äußerung. Der Beklagte nahm den Artikel am Folgetag der Veröffentlichung vom Netz. In der Folge gab er die strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Der Kläger verlangte nun die Freistellung von Anwaltskosten und meinte, der „Beklagte habe sich die ehrverletzenden Äußerungen zu eigen gemacht und sich als Mitorganisator der Aktion geriert. Er habe zudem Kenntnis der ehrverletzenden Äußerungen gehabt, wie sich insbesondere aus dem Umstand ergebe, dass er zuvor Kürzungen vorgenommen habe.“ Der Beklagte hielt entgegen, er sei nicht der alleinige Administrator des Blogs. Vielmehr hätten neben ihm weitere Personen Administratorenrechte. Er sei auch nicht derjenige Administrator gewesen, der die veröffentlichte Telefonnummer des Klägers entfernt habe.

Das AG Frankfurt wies die Klage ab. Nach seiner Auffassung muss der Beklagte nichts zahlen, da die Abmahnung nicht berechtigt war, denn es bestand seitens des Klägers kein Unterlassungsanspruch gegenüber dem Beklagten. Letzterer sei weder Täter noch Teilnehmer der Ehrverletzung, die hier tatsächlich vorlag. Er hafte auch nicht als Störer wegen der Verletzung von Prüfpflichten. Eine eigenständige Rechtsgutverletzung durch den Beklagten liege nicht vor, da er einerseits lediglich Ansprechpartner für technische Probleme sei, und zum andern der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er die Kürzung des Kommentars vorgenommen habe und somit bereits Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten hatte. Aus den von den Parteien vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass neben dem Beklagten andere mit Administratorenrechten ausgestattet seien.

Der Beklagte hafte auch nicht als Störer. Ihm kamen in diesem Fall keine Überwachungspflichten zu. Vor Kenntniserlangung von dem rechtswidrigen Inhalt des Weblog-Beitrags oblagen ihm keine Prüfungspflichten. Entgegen der Vorstellung der Klägerseite bestehe gerade bei Blogs mit kritischen Inhalten und Diskussionen mit provozierenden Inhalten keine generelle Prüfpflicht. Das Betreiben eines lnternetforums stehe unter dem Schutz der Presse und Meinungsäußerungsfreiheit; die Existenz eines derartigen Forums wäre bei Überspannung der Überwachungspflichten gefährdet. Nähme man eine generelle Pflicht zur Vorab-Zensur bei der Einstellung von Artikeln mit kritischen Stellungnahmen oder brisantem Inhalt an, würden zwangsläufig auch zulässige Meinungsäußerungen erfasst und das Modell von Internetforen und Webblog würde insgesamt in Frage gestellt. Dabei berücksichtigte das Amtsgericht Frankfurt/Main, dass das hier in Streit stehende Forum nicht gewerblich betrieben wird.

Wer einen Überblick über das Haftungsrecht der Forenbetreiber bekommen will, dem sei das Skript zum Thema von Dr. Stephan Ott empfohlen.

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