Meinungsfreiheit

Das Landgericht Köln sieht Namensrechtvertletzung durch wir-sind-afd.de

Das Landgericht Köln hat im Streit um wir-sind-afd.de eine Namensrechtsverletzung festgestellt und den Beklagten verurteilt es zu unterlassen, die Domain zu registrieren oder registriert zu halten. Die Entscheidung des LG Köln ist allerdings juristisch umstritten.

Klägerin ist die politische Partei „AfD“, die durch die Registrierung und Nutzung der Domain wir-sind-afd.de durch den beklagten Domain-Inhaber ihre Rechte verletzt sieht. Unter der Domain wir-sind-afd.de findet man die Angabe »Wir sind AfD« in der Kopfleiste, in der eine Hand mit abwärts gerichtetem Daumen zu sehen ist. Weiter heißt es da:

Wir sind eine rechtsextreme, rassistische, menschenverachtende Partei und wir wollen in den Deutschen Bundestag.

Dafür brauchen wir Ihre Hilfe. Denn wir wollen, dass Sie uns wählen. Deshalb wollen wir uns Ihnen vorstellen.

Es folgen Zitate von AfD-Politikern mit jeweiliger Quellenangabe. Die Klägerin mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 05. April 2017 wegen einer Namensverletzung ab. Der Beklagte lehnte die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab. Im Juni 2017 wurde ihm die Klage der Klägerin zugestellt. Sie macht darin Ansprüche auf Unterlassung, die Domain zu registrieren und registriert zu halten, auf Löschung der Domain wir-sind-afd.de und auf einen Ausgleich der außergerichtlichen Kosten geltend. Der Beklagte, ein Softwareentwickler, hält dem entgegen, es gehe darum, sich kritisch mit der Inhalten der Klägerin auseinanderzusetzen und die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Er ist der Auffassung, das Namensrecht der Klägerin nicht zu verletzen.

Das Landgericht Köln sah hier aber eine Namensrechtsverletzung und gab darum der Klage statt (Urteil vom 06.02.2018, Az.: 33 O 79/17). Zunächst stellte das Gericht fest, dass ein Namensrecht seitens der Klägerin bestehe. Weiter sah es eine Namensanmaßung (§ 12 Satz 1 Fall 2 BGB) seitens des Beklagten. Der täusche mit der Nutzung des Namens der Klägerin deren Identität vor. Er wolle damit Besucher auf die Seite locken, die die Seite ansonsten nicht aufsuchen würden. Der Identitätsirrtum werde auf der Seite für den politisch kundigen Leser rasch beseitigt. Der Beklagte gebrauche den Begriff »AfD« im Domain-Namen namensmäßig und das unbefugt, da er kein älteres Recht am Namen habe und ihm kein Rechteinhaber die Nutzung gestattet habe. Aus der unbefugten Nutzung folge eine Zuordnungsverwirrung, da der Betrachter davon ausgehen müsse, es handele sich um eine Domain der Klägerin selbst oder dass die Internetseite jedenfalls mit Zustimmung der Klägerin betrieben werde. Zudem trete die Namensrecht beeinträchtigende Wirkung bereits dadurch ein, dass die Klägerin davon ausgeschlossen sei, die Domain zu registrieren. In der sich anschließenden Abwägung gelangt das Gericht zu der Auffassung, dass die Interessen der Klägerin überwiegen: »Entscheidend ist allein, dass der Name der AfD namensmäßig gebraucht wird, um gegen sie Propaganda zu machen.« Damit würden die berechtigten Interessen der Klägerin verletzt. Sie brauche es sich nicht gefallen zu lassen, dass eine gegen sie gerichtete Parole in einer Weise verwendet werde, die durch den Gebrauch ihres Namens zunächst den Irrtum hervorrufe, er stamme von ihr selbst. Zugunsten des Beklagten vermochte das Gericht keine schutzwürdigen Belange festzustellen, dessen Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Absatz 2 GG) sei nicht tangiert. Das LG Köln verwies darauf, dass er von seinem Grundrecht auf Meinungsäußerung nach Art. 5 GG auch unter einer anderen Domain Gebrauch machen könne. Aus Art. 5 GG lasse sich kein Anspruch auf einen bestimmten Domain-Namen herleiten, um die eigene Gesinnung nach außen zu tragen. Damit bestätigte das Gericht die Ansprüche der Klägerin und gab der Klage in allen Punkten statt.

Diese Entscheidung ist umstritten. Mehrere Stimmen wenden sich gegen die Argumentationen und Feststellungen des Landgerichts Köln. So zweifelt Rechtsanwalt Thomas Stadler (internet-law.de) daran, dass eine Zuordnungsverwirrung vorliegt, da es auf die konkrete Art der Verwendung ankommt, wozu auch der unmittelbar nach Öffnen der Webseite ersichtliche Inhalt gehört. An diesem Punkt ist das Bestehen oder Nichtbestehen der Ausschlusswirkung relevant. Nach Stadlers Ansicht ist die Annahme einer Ausschlusswirkung (AfD kann die Domain nicht für sich registrieren) zweifelhaft. Der AfD ist es unbenommen, alle möglichen anderen Domains zu registrieren, und ihren Parteinamen hat sie als Domain auf sich registriert. Davon abgesehen müsste ein objektiver Benutzungswillen der AfD zur Nutzung der im Streit befindlichen Domain bestehen, den man bei wir-sind-afd.de nicht annehmen könne, da für Parteien die Nutzung einer solchen Domain unüblich ist. Weiter dürfe man an der Verletzung schutzwürdiger Interessen der AfD zweifeln, da sie sich als politische Partei einem öffentlichen Meinungskampf stellen müsse. In diese Kerbe schlägt mehr oder minder auch Rechtsanwalt Markus Kompa in einer Kolumne auf heise.de. Er gibt weiter zu bedenken, dass mit dem durch das Urteil getriggerten Streisand-Effekt kaum jemand künftig die AfD hinter der streitigen Domain wir-sind-afd.de wähnen wird. Für uns ist die Entscheidung des LG Köln ebenfalls schwer nachzuvollziehen. So bleibt nach unserem Eindruck wiederholt unklar, wann sich das Landgericht Köln auf den Domain-Namen bezieht und wann auf den Text auf der Webseite. Weiter differenziert das Gericht in den Entscheidungsgründen nicht an jeder Stelle zwischen dem Text des Webseitenbetreibers und den dort wiedergegebenen Zitaten von AfD-Politikern. Auch die Einschätzung des Gerichts, »Politische Parteien haben ein schutzwürdiges Interesse daran, dass ihnen nicht bestimmte, ihrem Programm widersprechende Tendenzen untergeschoben werden«, läuft ins Leere, wenn belegte Zitate von führenden Parteimitgliedern zum Verständnis der nach Ansicht des Webseitenbetreibers der Partei innewohnenden Ideologie wiedergegeben werden. Der Domain-Name wir-sind-afd.de als solcher ist jedenfalls nach diesseitiger Auffassung bereits eine Meinungsäußerung. Die Formel »Wir sind …« steht für sich schon, aufgrund der Bezugnahme zu einer berühmten Schlagzeilen wie »Wir sind Papst« und Abwandlungen davon, für eine ironische Aussage und damit Meinung. Es handelt sich um eine besondere inhaltliche Gestaltung einer Verlautbarung zur Erzielung einer größeren Öffentlichkeit, die als solche durch Art. 5 GG gedeckt ist. Dagegen steht das Interesse der Klägerin zurück. Stadler unterstellt zudem dem Gericht – zu Recht – ein »offenbar grundsätzlich verfehltes Grundrechtsverständnis«, da es argumentiert, der Beklagte könne ja seine Meinung in anderem Kontext äußern; eine wirkliche Abwägung nähme das Gericht aufgrund dieses fehlenden Grundansatzes gar nicht vor.

Soweit die Entscheidung der ersten Instanz. Ob der Beklagte in Berufung geht, steht laut seinen Angaben im Podcast »Lage der Nation« (Ausgabe 087, ab Minute 53) noch nicht fest. Eine Freundin des Beklagten hat zu seinen Gunsten ein Spendenkonto eingerichtet, um die Kosten des verlorenen Prozesses zu begleichen. Mittlerweile sind auch die Mittel für eine Berufung vorhanden. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Sache vor das OLG Köln kommt.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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