Berlin

Rückblick auf die Domain pulse 2015

Die Nachricht vom Scheitern der neuen Domain-Endungen scheint die Essenz der Domain pulse 2015 zu sein, doch bot die gut besuchte Konferenz der deutschen Domain-Verwaltung DENIC in Berlin deutlich mehr Themen. Und noch ist nicht aller Tage Abend, auch für die nTLDs nicht.

Rechtsanwalt Thomas Rickert vom eco e.V. präsentierte die Geschichte der Einführung der neuen Domain-Endungen und gab kein schönes, aber doch realistisches Bild des Scheiterns in vielerlei Hinsicht ab. Das Bild vertiefte die sich anschließende Gesprächsrunde, in der besonders Peter Christian Müller (CEO der Strato Tochter Cronon AG) die einfache Rechnung der Rentabilität aufmachte: jede Endung, die nicht 300 Registrierungen im Monat bringt, ist – aus der Sicht Müllers – tot. Und keine der neuen Endungen liefert so hohe Registrierungszahlen. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger, denn die Renewal-Zahlen der nTLDs überraschen selbst Müller: sie liegen mit aktuell über 70 Prozent höher als erwartet, was auch Alexander Siffrin von key-systems .net bestätigt, und nur knapp unter der 80 Prozent-Marke traditioneller Endungen. Die neuen Endungen, so war letzten Endes herauszuhören, brauchen schlichtweg Zeit und die jeweils richtige Strategie, um sich zu etablieren. Dass einigen auf längere Distanz die Luft ausgeht, steht zu erwarten. Ebenfalls kein ganz erfreuliches Bild lieferte teilweise Prof. Dr. Kleinwächter über die Situation im eGovernment. Er behandelte Fragen der IANA-Transition sowie der Fortführung des Internet Government Forum (IGF) und des World Summit on the Information Society (WSIS). Die IANA-Transition stehe unter Zeitdruck und sollte in jedem Fall innerhalb der gesetzten Frist bis September 2015 abgeschlossen sein; andernfalls gehe diese Chance verloren und die Staaten nehmen das Ruder der Internetverwaltung in die Hand, auch wenn das Internet nicht regierbar sei. Man müsse sich sowieso bewusst machen, dass über kurz oder lang alle Internetthemen auch zu politischen Themen werden und sich mithin die Politik weiter einmischen wird. In der sich seinem Vortrag anschließenden Diskussionsrunde erklärte er, das nicht sehr reformbedürftige IGF, das oft, wie auch die WSIS, nur als Debattierclub wahrgenommen werde, stehe dafür, Probleme des Internets zu identifizieren, von denen es derzeit ca. 500 definiert hat. Selbst lösen könne das IGF diese Probleme nicht, dazu sei es auch gar nicht da. Hingegen könne das IGF die NetMundial-Initiative als Verteiler nutzen, der die einzelnen Probleme an die Institutionen weiterreicht, die sie jeweils lösen können. So erfülle jede dieser Instanzen jeweils ihren Zweck für das Ganze.

Darüber hinaus gab es auch juristische Themen zu besprechen. So saßen sich unter der Moderation von Oliver Süme (.hamburg) Rechtsanwälte und eine Rechtsanwältin nebst dem Justiziar der DENIC, Stephan Welzel, gegenüber und diskutierten die Position der DENIC zwischen den Stühlen. Welzel berichtete davon, dass derzeit ca. 4.500 Dispute-Anträge bestünden, es sich jedoch zeige, dass die Zahl erfolgloser Anträge steigt, was damit zusammenhänge, dass Antragsteller mit einem schwachen Recht an lange schon bestehende Domains heranzukommen versuchen. Dispute würden üblicherweise am Tag ihres Einganges bearbeitet, es sei denn, es lägen längere schriftliche Ausführungen bei oder die Sach- und Rechtslage sei schwieriger. Rechtsanwalt Rauschhofer hätte gern ein dem URS-Verfahren vergleichbares Verfahren für .de-Domains. Diesen Wunsch tat Welzel mit einem knappen »sowas wird DENIC von sich aus nicht machen« ab. Rechtsanwalt Kirschbaum kritisierte das Handeln DENICs hinsichtlich der Löschung von Domains bei Fällen offensichtlicher Rechtswidrigkeit; er vermisse ein rechtsstaatliches Verfahren. Doch auch hier parierte Welzel kurz und knapp mit der klaren Aussage des Bundesgerichtshofs in der ambiente.de-Entscheidung: eine offenkundige Rechtswidrigkeit liege vor bei Identität zwischen Domain und einer berühmten Marke, die bei mercedes.de gegeben sei, nicht aber bei mercedes-automobile.de. Im Übrigen lieferten die Rechtsabteilungen der drei Domain-Verwaltungen DENIC, Switch und Nic.at Informationen zu gerichtlichen Entscheidungen der vergangenen zwölf Monate.

Darüber hinaus deckte die Domain pulse auch die Themen SEO (für nTLDs gibt es noch keine hinreichenden Daten), Datensicherheit (Hacking von Automobilen, Flugzeugen u.a.), was tun mit den großen Internetkonzernen (eine laute und wenig ergiebige Diskussion zwischen Peter Schaar und Thomas Knüwer) und, in einem hervorragenden Vortrag von Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Uni Tübingen), die Frage nach dem Bestand der eigenen Internetreputation ab. Alles in allem erwies sich die von der DENIC ausgerichtete Domain pulse 2015 als hervorragende, informative und unterhaltsame Veranstaltung. Im kommenden Jahr ist die schweizer Switch maßgebender Veranstalter; sie lädt dann nach Lausanne.

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